Kultur: Weite Welt
Die Kultband Die Art kommt ins Waschhaus
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Isoliert, drangsaliert, kontrolliert – es ist erstaunlich, dass sich in der sozialistischen Diktatur der DDR eine Musikszene entwickelte, die sich an sogenannten westlichen Einflüssen orientierte und sich dennoch behaupten konnte. In Großstädten wie Berlin, Dresden und Leipzig war schon eine rege musikalische Subkultur zu entdecken.
In Leipzig – heute, immerhin gut 30 Jahre später, immer noch die heimliche Kulturhauptstadt der New-Wave- und Gothic-Bewegung – gründete sich im Jahr 1986 Die Art als ein Folgeprojekt der Punkband Die Zucht. Punk war in den Achtzigern gewissermaßen das Nonplusultra der alternativen Musik, doch auch Die Art wurde von den hereinschwappenden New-Wave-Sounds eingeholt. Der endgültige Ruck, der die Band zu einer überregionalen Bekanntheit pushte, war die Entdeckung beim DDR-Kultradio DT64, wo sie in der Radiosendung „Parocktikum“ gespielt wurde – der Schritt hin zu einer der beliebtesten alternativen Bands der DDR.
Gerade in den Achtzigerjahren, mit dem Überschwappen des Punk aus Großbritannien, formierte sich eine Szene, die zunächst gar nicht recht greifbar war; unter dem Stempel „Asozialität“ ließen sich Punkbands aber gezielt verfolgen. An einem Arrangement mit den Jugendkulturen war der Staat nicht interessiert.
Die Art spielte sich dennoch nach oben, auch mithilfe von Musikkassetten (kennt die noch jemand?). Eine Langspielplatte zu veröffentlichen, das schafften die Leipziger zu „Zonenzeiten“ nicht, wohl aber einen legendären Auftritt vor 10 000 Zuschauern zum FDJ-Pfingsttreffen. Das war nicht Punk und schon gar nicht gesellschaftskritisch, öffnete aber immerhin die Verhandlungen mit dem DDR-Label Amiga, wo im Sommer 1989 ein Plattenvertrag in Aussicht stand.
Zu diesem kam es jedoch nicht: Der Song „Wide Wide World“ wurde als ein Aufruf zur Republikflucht gedeutet, ein schweres Vergehen; den Plattenvertrag konnte die Band vergessen. Heute wissen wir, dass die Geschichte anders verlaufen ist: 1990, nach der politisch-gesellschaftlichen Wende, kam der Plattenvertrag mit Amiga doch noch zustande. Das Album „Fear“ wurde mit 25 000 verkauften Exemplaren das erfolgreichste Album der Band und enthielt natürlich auch den Song „Wide Wide World“.
In den Neunzigern hatte die Band ihren Stil gefunden, der sich irgendwo zwischen New Wave und Dark Wave ansiedelte. Doch hinter den Kulissen kriselte es bereits. Am 22. 12. 2001 geschah dann das, was sich hinter vorgehaltener Hand bereits abzeichnet hatte: Die Art gaben ihr Abschiedskonzert in der Leipziger Moritzbastei. Sänger Makarios gründete kurz davor mit dem Gitarristen Thomas Gumprecht die Band Wissmut, deren Bassist auch als Ersatzbassist bei Die Art einsprang. In Leipzig schien eine Ära zu Ende zu gehen. Auch für die Band kam die Auflösung einem Suizid gleich, wie Makarios 2004 in einem Interview beteuerte: „Ich hätte nicht gedacht, dass mich das Ende von Die Art derart fertig macht. Es war eine Katastrophe, die ich nicht noch einmal erleben möchte. Ich werde nie wieder ein Abschiedskonzert geben.“
Abschied? Von wegen: 2004 gab es wieder ein Konzert in Dresden, welches frenetisch gefeiert wurde. Und drei Jahre später stand Die Art wieder vereint auf der Bühne: In Chemnitz gab es im April 2007 ein Konzert mit der nicht minder legendären Band Fliehende Stürme, kurz darauf ein neues Album. Und am kommenden Freitag um 21 Uhr ist Die Art im Waschhaus zu erleben. Oliver Dietrich
Oliver Dietrich
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