Kultur: Weltmusiker zum Anfassen Lüül las und sang
im Nachtboulevard
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Ein Mann, ein Buch, eine Gitarre – so könnte man die Samstagsveranstaltung im Nachtboulevard des Potsdamer Hans Otto Theaters betiteln. Gitarrist und Sänger Lüül beschwor an diesem Abend eine Mischung aus Unplugged-Konzert, Lesung und musikalischer Vergangenheitsreise herauf. 1952 als Lutz Ulbrich geboren, stellte seine 2006 erschienene und gerade neu verlegte Autobiografie mit dem Titel „Lüül: und ich folge meiner Spur“ vor. Und die hat es in sich.
Mit zwölf Jahren hatte er seine Leidenschaft für Musik entdeckt und spielte in Schulbands. Im Jahr 1967 gründete Lüül mit Freunden die Gruppe The Agitation, aus der seine erste erfolgreiche Band Agitation Free hervorging. Später spielte er bei Ash Ra Tempel mit, gründete ein Rocktheater und schloss sich schließlich den 17 Hippies an, mit denen er teilweise bis heute unterwegs ist.
Lüül war in der ganzen Welt, spielte mit Musikgrößen wie John Cale oder David Bowie und war unter anderem mit Andy Warhol-Muse Nico liiert. Musik treibt ihn an und inspiriert ihn: „Als ich anfing zu spielen, dachten meine Eltern noch, dass sei eine Phase, die wieder vorbeigeht“, erzählte er. Sie ging nicht vorbei. „Ganz im Gegenteil, es kam immer eins zum anderen und jetzt bin ich hier.“
Auch wenn das Nachtboulevard am Samstag nicht so gut gefüllt war, tat das der Stimmung keinen Abbruch. Mit kleinen runden Tischen vor der Bühne kam der Abend wie ein kleines Barkonzert daher. Lüül erzählte von seinem turbulenten Leben wie andere vom Wocheneinkauf. Eben so, als wäre es das Normalste auf der Welt, dass man mit der nackten Uschi Obermaier in der Kommune 1 Tee trinkt oder während eines Konzerts von Agitation Free im Hintergrund ein Porno läuft. Hin und wieder ließ er doch durchklingen, dass auch er nicht immer alles sofort fassen konnte. Etwa als er von Nico sprach, dem Topmodel, das auf einmal als Mensch vor ihm stand. Da sie den gleichen Manager hatten, lernten sie sich Mitte der 70er-Jahre kennen, lagen im selben Bett, in dem Jim Morrison geschlafen hatte. „Sie sagte oft, dass ich sie an ihn erinnere, was mir völlig schleierhaft war“, so Lüül. „Das Einzige, das wir gemeinsam hatten, war, dass wir im Sternbild Schütze geboren wurden, Nico kannten und nun im gleichen Bett geschlafen hatten.“ Bei ihrem ersten Annäherungsversuch bekam er noch „Schiss“, sie schliefen in getrennten Betten. Später waren sie fast fünf Jahre liiert, reisten und machten Musik zusammen. Ihre Drogenabhängigkeit schwebte wie ein Damoklesschwert über der Beziehung. „Ich habe das damals nicht so richtig verstanden, hatte auch nicht viel Erfahrung mit Junkies, aber ich war eben total verknallt“, erzählte Lüül. Ende der 70er wurde er selbst heroinabhängig, fing sich aber schnell wieder.
Die Beziehung mit Nico war irgendwann beendet, die zur Musik nicht. Nach einem Ausflug in die Neue Deutsche Welle, der ihm nicht zusagte, begann Mitte der 90er die Reise mit den 17 Hippies. „Hier stand der Spaß und nicht die Karriere im Vordergrund“, so der Musiker. Die Band lieferte den Soundtrack zu Andreas Dresens Film „Halbe Treppe“ und wurde berühmt. Heute ist Lüül auch mit eigener Band unterwegs, die am 19. Juni ihr neuestes Album „Wanderjahre“ veröffentlicht. Am 21. Juni stellen die Musiker ihre Songs im Soundgarten der Potsdamer fabrik vor.Sarah Kugler
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