Kultur: Wenn Hoffnung am Leben scheitert Jessica Hausner über ihren Film „Amour Fou“
Hoffnung. Oft ist sie es, die das Leben vorantreibt.
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Hoffnung. Oft ist sie es, die das Leben vorantreibt. Hoffnung auf einen besseren Morgen, Hoffnung auf Heilung, Hoffnung auf die ganz große Liebe. Doch wenn man sich in ihr verliert, das Leben nur noch aus einer Wunschvorstellung heraus aufbaut, kann Hoffnung auch schnell in eine Weltflucht umkippen. Regisseurin Jessica Hausner erzählt in ihrem aktuellen Film „Amour Fou“ gleich von drei Hoffnungen, die vor allem nach Liebe suchen, aber auch nach einem Leben jenseits gesellschaftlicher Konventionen. Am Mittwoch stellte sie den Film, der auch in Potsdam gedreht wurde, gemeinsam mit Schauspieler Stephan Grossmann im Babelsberger Thalia-Kino vor.
Der Dichter Heinrich von Kleist (Christian Friedel) ist ein romantischer Melancholiker. Sein Leben empfindet er als leer und schmerzvoll, sodass er den Selbstmord als einzigen Ausweg sieht. Den Weg ins Jenseits möchte er jedoch nicht alleine, sondern mit seiner große Liebe Marie (Sandra Hüller) gehen. Besteht doch seine Vorstellung der idealen Liebe darin, zusammen im Tod unsterblich zu werden. Marie lehnt ab und Kleist wendet sich daraufhin der, mit dem Geschäftsmann Friedrich Louis Vogel (Stephan Grossmann) verheirateten Henriette (Birte Schnöink) zu, die zunächst auch ablehnt. Als sie jedoch erfährt, dass sie unheilbar krank ist, stimmt sie schließlich doch zu und das Schicksal nimmt seinen Lauf.
Hausner erzählt diese Geschichte nicht als lautes Drama, sondern als zurückhaltendes psychisches Porträt dreier Menschen, die alle unterschiedliche Erwartungen vom Leben und der Liebe haben. Große Gefühlsausbrüche gibt es hier nicht, alles bleibt unter dem Mantel des Selbstschutzes verborgen. „Ich halte nichts von der Behauptung, dass sich Figuren im Film vor dem Publikum entblättern müssen“, sagte die Regisseurin. „Mich interessiert die Entfremdung, die entsteht, wenn Menschen nicht zeigen, was sie wirklich fühlen.“
So zurückhaltend sie die Figuren zeichnet, so kraftvoll setzt sie die Kulisse in Szene. Starke Muster dominieren an Wänden und Böden, jedes Häkchen an den extra in London ausgeliehenen Kostümen sitzt perfekt. Trotzdem ist auch hier alles klinisch perfekt. Wie Hausner erzählte, hätte sie sich stark von Gemälden der Renaissance inspirieren lassen, an denen sie vor allem die strenge Ordnung fasziniert hat. Und so wirkt „Amour Fou“ wie ein großes Kunstwerk, zusammengesetzt aus verschiedenen perfekt gezeichneten Bildern, die den Filmfiguren die perfekte Kulisse für ihre emotionale Maskierung bieten.
Dabei sei ihre Intention nicht gewesen, einen strikt historischen oder gar biografischen Film zu drehen, wie sie sagte. An Kleists Geschichte hätte sie viel eher fasziniert, dass er so schnell bereit war, seine Liebe auf eine andere Person zu verlagern. „Diese Austauschbarkeit der Liebe hat schon fast etwas Lächerliches“, sagte sie. „Und hat viel damit zu tun, dass man sich eine Person, die man liebt, meist ganz anders ausmalt als sie wirklich ist.“ Diese Idee, einen Menschen besser zu kennen als sich selbst, sei schier unmöglich, denn letztendlich kenne man seine eigenen Gefühle schon kaum, so Hausner. Für sie sei genau dies das Grundthema des Films, das sie durchaus als überzeitlich ansieht. „Man erkennt anhand der Geschichte, dass es eben nur das eine Leben gibt, in dem nicht alles wählbar ist. Ich halte es für eine Illusion, dass unsere Möglichkeiten unendlich sind, weder damals noch heute.“
Und so zeichnet sie Kleist als Suchenden nach einer Seelenverwandten bis in den Tod, Henriette als Hoffende auf ein anderes, aufregenderes Leben und ihren Ehemann Vogel als genügsam Gütigen, der sein Glück im Einfachen sucht. Letztendlich sind sie dann alle Scheiternde, weil keiner von ihnen, das was ihn wirklich bewegt, nach außen trägt. Sarah Kugler
„Amour Fou“ läuft täglich im Thalia Filmtheater, Rudolf-Breitscheid-Straße 50
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