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Locker. Stefan Hillebrand arbeitet viel mit Laien und Improvisation.

© Manfred Thomas

Kultur: Wenn plötzlich alles anders ist Filmgespräch zu

„Vielen Dank für nichts“

Von Sarah Kugler

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Ein einziger Augenblick reicht aus, um das ganze Leben auf den Kopf zu stellen. Ein falscher Schritt und plötzlich sind Dinge, die vorher selbstverständlich waren, nicht mehr möglich, der Lebensstil von gestern nicht mehr ausführbar. Dass solche Schicksalsschläge aber nicht das Ende der Welt bedeuten müssen, zeigt der aktuelle Film „Vielen Dank für nichts“ von Oliver Paulus und Stefan Hillebrand, den Hillebrand am vergangenen Freitag im Thalia-Kino vorstellte.

Valentin (Joel Basman) ist jung, dynamisch und sportlich. Bis er nach einem schweren Snowboardunfall nicht mehr laufen kann und fortan auf den Rollstuhl angewiesen ist. All seine hilflose Wut lässt er an seiner Mutter aus, die sich letztendlich nicht anders zu helfen weiß und ihn in einem betreuten Heim für Behinderte unterbringt. Von dem dortigen Theaterprojekt erhofft sie sich wieder mehr Lebensfreude für ihren Sohn, doch der will davon nichts wissen. Erst als er sich in die junge Pflegerin Mira verguckt und einen Plan ausheckt, wie er ihren Freund Marc vergraulen kann, öffnet er sich auch nach und nach seinen Mitbewohnern. Gemeinsam mit den neu gewonnen Freunden Lukas (Nikki Rappl) und Titus (Bastian Wurbs) setzt er seine Pläne in die Tat um und es beginnt ein Roadtrip der ganz besonderen Art.

„Vielen Dank für nichts“ erzählt dabei nicht nur die Geschichte von einem vom Schicksal getroffenen jungen Menschen, der wieder zurück in das Leben findet, sondern nähert sich auch dem sensiblen Thema zum Umgang mit Behinderten auf eine sehr lockere, politisch nicht immer ganz korrekte Art. Doch gerade das gibt dem Film seinen Charme und war dem Regisseur Stefan Hillebrand auch wichtig, wie er am Freitag sagte. „Ich habe vor sechs Jahren ein Theaterstück von Behinderten gesehen, in dem es um Barrierefreiheit ging, und das war ganz furchtbar moralisch“, so Hillebrand. „Und ich habe dabei immer gedacht, das ist doch viel zu lieb, die müssten irgendwie mehr böse sein.“ Aus diesem Eindruck hätte sich dann die Idee zu dem Tankstellenüberfall im Film entwickelt.

Bevor der Film dann tatsächlich in die Tat umgesetzt wurde, vergingen aber noch mal drei Jahre, in denen ein Manuskript zur Orientierung bei den Dreharbeiten entstand. Ein richtiges Drehbuch gab es nicht, die Regisseure setzten eher auf Improvisation. „Wir arbeiten viel mit Laiendarstellern und für die ist es unglaublich schwer, Text zu lernen, das klingt dann immer sehr hölzern“, sagte Hillebrand. „Wenn wir aber improvisieren, wird das flüssiger.“

Berührungsängste vor der Arbeit mit Behinderten habe er keine gehabt, die habe er bereits in seinem Zivildienst abgebaut. Aus dieser Zeit stammte auch die Idee zu einer Szene im Film, in der die drei Jungs mit ihren Rollstühlen durch eine Einkaufsstraße fahren, mit Absicht Leute anrempeln und sich darüber amüsieren, dass die sich dafür noch entschuldigen. „Das ist mir tatsächlich so passiert, als ich im Zivildienst für eine Woche im Rollstuhl gefahren bin, um ein Gefühl dafür zu bekommen“, so Hillebrand. „Ich konnte damit nicht umgehen und bin aus Versehen in die Leute reingefahren, aber die haben sich tatsächlich jedes Mal entschuldigt und da habe ich gedacht, dass da irgendwas nicht richtig laufen kann.“ Damit der Film in seiner Mischung aus Tragik und Komik so realistisch wie möglich bleibt, haben ihn seine beiden Hauptdarsteller Bastian Wurbs und Nikki Rappl viel beraten. „Kommunikation ist tatsächlich eine der wichtigsten Komponenten“, sagte der Regisseur. „Immer wieder in Kontakt treten, dann fallen auch die Barrieren.“

Tatsächlich schafft es „Vielen Dank für nichts“ viele Barrieren fallen zu lassen – nicht nur im Umgang mit Behinderten, sondern auch im Umgang mit sich selbst und vor allem im Umgang mit dem Leben. Sarah Kugler

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