Kultur: „Wer ist schon ein Orakel?“
Mit der alten und neuen Kulturministerin Prof. Dr. Johanna Wanka im Gespräch
Stand:
Mit der alten und neuen Kulturministerin Prof. Dr. Johanna Wanka im Gespräch Sage keiner, in Brandenburg und seiner Landeshauptstadt Potsdam sei kulturell nichts los. Ganz im Gegenteil. Von den Musikfestspielen Potsdam Sanssouci bis zu Klassik im Grünen in Buckow, vom Kammermusikfestival im ehemaligen Flugzeughangar in der Schorfheide bis zu den Orgeltagen in Großräschen, vom kulturellen Vielseitigkeitstrip in Banzendorf bis zu Sommermusiken in Kloster Zinna fällt es schwer, den Überblick über alle Termine zu behalten, geschweige denn sie wahrzunehmen. Über das Kulturland Brandenburg gab die bisherige und neue Kulturministerin Prof. Dr. Johanna Wanka bereitwillig Auskunft. Sie ist Mathematikerin, hat über das Thema „Lösung von Kontakt- und Steuerproblemen mit potential-theoretischen Mittel“ promovierte und war bis Oktober 2000 Rektorin der Fachhochschule Merseburg. Frau Ministerin, muss man Sie künftig als „Heilige Olga“ titulieren? Natürlich nicht. Über die Verleihung des gleichnamigen Ordens von Seiten der russisch-orthodoxen Kirche habe ich mich natürlich sehr gefreut. Was wir als Kulturministerium in den letzten Jahren kontinuierlich und intensiv unterstützt haben, fand durch die Auszeichnung sichtbare Wertschätzung. Die weltliche Wertschätzung für Kultur lässt mitunter allerdings zu wünschen übrig, was dazu führt, dass Rotstiftstrategen zuerst in kulturellen Revieren wildern. Manche Politiker dagegen bezeichnen die Kultur gern als Kitt der Gesellschaft. Wäre es daher nicht logisch, sie als gesellschaftliche Pflichtaufgabe zu betrachten? Ich bin der Meinung, dass Kultur für das Selbstverständnis Deutschlands als Kulturnation ganz wichtig ist. Seiner kulturellen Wurzeln sollte man sich nicht nur erinnern, sondern sie auch hegen und pflegen. Und über ihre bisherige Wertung nachdenken: ist sie wirklich nur Kitt, nur Beiwerk, oder etwas, was zu unserem Leben grundlegend gehört – sozusagen ein Grundlebensmittel?! Dazu braucht es aber der Einsicht und des Einvernehmens vieler! Mit Landräten und zahlreichen Bürgermeistern habe ich bereits die Diskussion darüber begonnen, dass eine gewisse Summe der Kulturausgaben als pflichtig verstanden werden sollte. Damit würden die Kommunen, selbst bei einem nicht ausgeglichenen Haushalt, die kulturelle Grundversorgung sichern. Wenn es gelänge, darüber Einvernehmen zu erreichen, wäre das für die Kultur und ihre Bedeutung für die Gesellschaft ein großer Sprung nach vorn. Wie viel gibt das Land Brandenburg für seine Kultur aus? In der Regel stellen die Länder ein Prozent ihres Haushalts für den Kulturetat zur Verfügung. So hält es auch Brandenburg, das etwa 89 Millionen Euro für Kultur und Kirchen ausgibt, was in etwa 0,91 Prozent des Gesamthaushaltes in Höhe von 9,7 Milliarden Euro entspricht. Hat sich Ihr Konzept von Kultur in der Fläche bewährt? Ich denke, dass unsere Konzeption, neben dem Erhalt von kulturellen Leuchttürmen auch Kultur in der Fläche, in ganz kleinen oder entlegenen Orten zu ermöglichen, aufgegangen und das Instrumentarium dazu konsequent qualifiziert worden ist. Wir haben die Kulturland-Kampagnen mit ihren jährlich wechselnden Themen nach Qualitätskriterien profiliert und einen eigenen Verein gegründet, der mit den Kommunen und Vertretern vor Ort eng zusammenarbeitet. Bewährt hat sich ebenfalls das Angebot der Kulturfeste e.V., mit denen kleine Feste wie das auf Gut Saathain genauso gefördert werden wie größere, beispielsweise die Musikfestspiele Potsdam-Sanssouci. Allerdings müssen die Veranstalter lange auf ihre Zuwendungsbescheide warten was sie künftig nicht mehr müssen. Es ist uns erstmals gelungen zu erreichen, dass wir jetzt schon einige Zuwendungsbescheide für 2005 erteilen konnten. Das bringt Sicherheit vor Ort und spart auch Geld, weil sich die Veranstalter nunmehr besser mit den Künstlern arrangieren können. Weiterhin haben wir die Verbandsstrukturen sowohl personell als auch finanziell gestärkt. Zur Fläche gehört auch die Uckermark, ein schöner, wenngleich von hoher Arbeitslosigkeit gebeutelter Landstrich. Gewährt ihm das Land weiterhin die kulturerhaltende Unterstützung? Ein Highlight sind unzweifelhaft die „uckermärkischen bühnen schwedt“, die sich mittlerweile zum kulturellen Zentrum entwickelt haben. Mit ihnen haben wir gerade einen Dreijahresvertrag abgeschlossen, der ihnen für diese Zeit finanzielle Sicherheit gibt. Dem in Prenzlau ansässigen Preußischen Kammerorchester sind wir auch nach dessen Wechsel in der Trägerschaft finanziell ein verlässlicher Partner und unterstützen die Musiker nach dem Gemeindefinanzierungsgesetz jährlich mit zirka 100 000 Euro. Sie setzten sich vehement für die Verlängerung des Theater- und Orchester-Verbundvertrages ein. Warum eigentlich? Bis 1999 gab es in der Orchester- und Theaterlandschaft des Landes eine Fülle von Veränderungen bis hin zur Auflösung von Ensembles oder einzelnen Sparten. Um dennoch in Potsdam, in Brandenburg/Havel und in Frankfurt (Oder) Musik und Theater anbieten zu können, wurde der Verbund ins Leben gerufen. Dadurch entstand sozusagen ein landesweites Dreispartentheater an drei verschiedenen Standorten mit vielfältigsten Möglichkeiten gegenseitigen Kulturaustausches. Die Konstruktion hat im Wesentlichen funktioniert, geplante Einsparsummen sind erbracht worden. Deshalb habe ich mich für die Weiterführung des Vertrages eingesetzt. Somit haben die beteiligten Einrichtungen weitere Planungssicherheit für drei Jahre erhalten. Sind die oft monierten Probleme wie zu wenig gegenseitige Produktabnahmen und ungenügende Planungsabsprachen endlich ausgeräumt? Ja. Wir haben erstmals spartenbezogene Intendanzen und wesentlich höhere Austauschzahlen zwischen den Verbundpartnern festgelegt. Mit letztlich hilfreichem Druck vom Land und langen Diskussionen hat sich die Situation nunmehr zum besseren gewendet. Ist es realistisch, die Einnahmequoten um jährlich fünf Prozent zu erhöhen? Mir wurde von den Beteiligten versichert, es sei realistisch. Bei der Analyse des alten Verbundvertrages stellten wir fest, dass es einen hohen Anteil an Neuinszenierungen, aber nur eine geringe Aufführungsquote gab. Dadurch verteuerte sich das Produkt. Dass es auch billiger geht, beweist das Hans Otto Theater, welches seine vereinbarten Zahlen sogar überbieten will. Ist die Finanzierung der Verbundpartner durch das Land tatsächlich sicher? Im Prinzip ja, auch wenn jeder Vertrag, den wir schließen, ausnahmslos unter Haushaltsvorbehalt steht. Das heißt, die Zuständigkeit des Landtages wird nicht beschnitten. Aber wir schließen nicht Verträge mit festen Summen über mehrere Jahre, um sie dann als Makulatur zu betrachten. Wie sind die Reaktionen auf den neuen Verbundvertrag? Durchweg positiv. Können Sie nach den bisherigen Operationen im Kulturorganismus weitere schmerzhafte Eingriffe ausschließen? Für einen absehbaren Zeitraum sicherlich. Wir haben die Theater- und Orchesterlandschaft mit Drei- oder Fünfjahresverträgen konsolidiert, den Prozess des kulturellen Abbaus gestoppt. Doch wer ist schon ein Orakel und vermag die Zukunft vorauszusagen?! Der Verbundvertrag sieht vor, dass die Brandenburger Symphoniker und das Staatsorchester Frankfurt enger miteinander kooperieren sollen. Ist das Ausdruck eines langfristigen Plans, beide Orchester zu fusionieren? An eine Fusion ist nicht gedacht, aber an eine sehr enge Abstimmung und Kooperation. Für bestimmte Stücke kann man nunmehr auf gegenseitige Ressourcen zurückgreifen. Es wird Konzerte der Frankfurter in Brandenburg/H. geben, und die 14-tägige Spanien-Tournee des Staatsorchesters dirigiert Michael Hellmrath, Chefdirigent der Brandenburger Symphoniker. Die Überlegungen zur Reduzierung von Planstellen und Veränderung der Einstufungen beider Orchester sind endgültig vom Tisch? Mit der Unterzeichnung des Verbundvertrages sind alle Diskussionen darüber beendet. Der Bestand und die Personalstärke beider Orchester bleiben unangetastet. Was auch bedeutet, dass jeder Klangkörper weiterhin seine Repertoirespezialität pflegen kann. Trotz fehlender genrespezifischer Voraussetzungen soll Brandenburg/H. weiterhin Musiktheater produzieren, Potsdam nicht mehr. Ein Widerspruch zu den Realitäten? Nicht unbedingt. Es gibt eine ähnliche Situation in den Niederlanden, wo mit gleichem Etat erfolgreich Musiktheater produziert wird. Da in Brandenburg/H. ein großer Teil des Etats durch das Orchester verbraucht wird, haben wir die Zuwendungen erhöht, indem wir die Differenz von hohen Produktionskosten zu niedrigen Abnahmepreisen übernehmen. Ich gebe zu, dass Brandenburg/H. von den Restriktionen her – beispielsweise durch Abfindungen für nicht mehr benötigte, aber unkündbare Schauspieler – ein eher schwaches Glied im Verbund ist. Um die Strukturprobleme zu beseitigen, fördern wir den Verbundpartner besonders. Dennoch erleben wir in Potsdam exzellente Musiktheaterproduktionen durch das Hans Otto Theater, das dafür ja gar nicht zuständig ist. Darf das denn so sein? Trotz Arbeitsteilung verbietet es der Verbundvertrag dem Hans Otto Theater nicht, im kleineren Umfang Musiktheater zu produzieren. Es bespielt, wie vorgesehen, das Schlosstheater im Neuen Palais. Was hat es eigentlich mit dem Projekt der Kulturstiftung Cottbus auf sich? Das ist die Sicherung der Existenz des Staatstheaters Cottbus und der Brandenburgischen Kunstsammlungen auf einem hohen Niveau. Angesichts der Finanzrahmenbedingungen durch das Land hätte das Theater in den nächsten Jahren eine Million Euro einsparen müssen. Das wäre nur durch eine Spartenschließung möglich gewesen. Durch die Gründung der Kulturstiftung und die Festschreibung der ungekürzten Zuschüsse für weitere fünf Jahre ist Cottbus gesichert worden und kann über 2009 hinaus als Staatstheater weiter existieren. Verbundvertrag und Kulturstiftung – sind das die Konstrukte, die dem Land die Kultur in der Fläche auf Dauer erhalten? Zweifellos. Ich will, dass dieser Theater- und Orchesterbereich, so wie er sich jetzt darstellt, bestehen bleibt. Wir haben Verträge über die nächsten fünf bzw. drei Jahre. Da ist nichts, was wackelt oder anbrennen kann. Spielen Sie eigentlich ein Instrument? Nein. Auch singe und tanze ich nicht! Dennoch beherrschen sie die Klaviatur des kulturpolitisch Notwendigen und Machbaren vorzüglich. Was haben Sie in Ihrer bisherigen Amtszeit erreicht? Meine Strategie, die Rahmenbedingungen für die Kultur in Brandenburg stabil zu halten, ist aufgegangen. Neben bereits Erwähntem ist u.a. das Projekt des Pauli-Klosters in Brandenburg/Havel als archäologisches Landesmuseum auf den Weg gebracht, mit dem Dieselkraftwerk Cottbus das neue Domizil für die Brandenburgische Kunstsammlung gefunden. Für die Stiftung Brandenburger Gedenkstätten (Sachsenhausen) haben wir ein Sonderinvestitionsprogramm des Bundes für über neun Millionen Euro auf den Weg gebracht. In den nächsten drei Jahren wird für Schloss Rheinsberg ein bauliches Investitionsprogramm über eine Million Euro realisiert, damit die Bedingungen für die Kammeroper und die Musikakademie besser werden. Eine stolze Bilanz. Und was blieb bislang unerledigt? Die erfolgreiche Suche nach Partnern, die bereit sind, das Deutsche Filmorchester Babelsberg mitzufinanzieren. Das ist nicht Aufgabe des Landes allein, sondern da sind Berlin und der Bund, der für Film und Filmmusik zuständig ist, in der Pflicht. Um das Stift Neuzelle auf Dauer sichern zu können, gibt“s noch eine Menge zu tun. Ihre Wünsche an die Zukunft? Dass wir den Kulturetat erhöhen, um die Kultur im Land Brandenburg finanziell noch sicherer machen zu können. Das Gespräch führte Peter Buske
- Brandenburg
- Hochschulen
- Johanna Wanka
- Musik in Potsdam
- Tanz in Potsdam
- Theater in Potsdam
- Werder (Havel)
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: