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Kultur: „Wer Karriere will, sollte Politiker werden“

Alexander Untschi über die Tradition der Potsdamer Sommerakademie und das Besondere eines Meisterkurses

Stand:

Herr Untschi, ab Dienstag lädt wieder die Edwin Fischer Sommerakademie Potsdam zum Klaviermeisterkurs. Es ist der vierte Meisterkurs, den Sie hier organisieren. Ganz so neu ist diese Idee aber nicht.

Nein, und es ging mir zuerst einmal darum, die vorhandene, aber längst schon vergessene Idee von solchen Meisterkursen in Potsdam wiederzubeleben. Diese Kurse in den 30er-Jahren waren ja ganz großartig. Da war Potsdam international. Die beiden Meisterpianisten Wilhelm Kempff und Edwin Fischer haben sich damals immer aufgeteilt. Kempff hatte die Schüler, die aus Amerika kamen, und Edwin Fischer die jungen Talente aus Europa. Kempf – kleine Anekdote am Rande – war auch immer teurer als Fischer. Durch den Zweiten Weltkrieg und dann durch die DDR ist diese wunderbare Tradition verschwunden.

Aber Sie beziehen sich in Ihrer Sommerakademie namentlich nur auf Edwin Fischer.

Ich habe in Wien bei Paul Badura-Skoda studiert. Dessen Lehrer war Edwin Fischer. So kam es zwangsläufig zu einer intensiven Auseinandersetzung mit Fischer. Irgendwann wollte ich dann noch woanders hin, bin irgendwann als Tourist nach Potsdam gekommen und lebe jetzt seit sieben Jahren hier.

Und die Idee, die Potsdamer Sommerakademie wiederzubeleben, hatten Sie damals schon?

Ja, das war mit ein Hauptgrund, warum ich hierhergekommen bin. Ich war schon ziemlich naiv damals und mich kannte hier ja auch niemand. Aber mit viel Hartnäckigkeit und auch Glück habe ich es geschafft. Für den ersten Meisterkurs im Jahr 2009 konnte ich so meinen Lehrer Paul Badura-Skoda gewinnen.

Wie verlief Ihre Spurensuche in Potsdam?

Da habe ich zuerst das Haus von Wilhelm Kempff am Neuen Garten ausfindig gemacht, in dem er gelebt hat. Aber da gab es ja schon viel früher Verbindungen. In München, wo ich aufgewachsen bin, habe ich eine seiner Töchter kennengelernt. Ich hatte auch das große Glück, das letzte Konzert von Wilhelm Kempff zu erleben. Heute ist es mir wichtig, dass die jungen Leute, die zu den Meisterkursen kommen, etwas von dieser besonderen Atmosphäre spüren und begreifen, um was es geht. Also dass es hier nicht darum geht, nur etwas für die Karriere und den Ruhm zu tun, sondern dass man sich für vier Tage in ausgewählte Meisterwerke vertieft und auch das Miteinander pflegt.

Vermissen Sie dieses Miteinander in der heutigen Klassikszene?

Es ist schon alles sehr stark auf die Karriere ausgerichtet. Ich sage da immer, wer Karriere machen will, der sollte Politiker und nicht Künstler werden. Früher war das Künstlerleben viel stärker in die Gesellschaft eingebettet. Das fällt ja immer mehr weg, zählt oft genug nur noch der Erfolg. Aber bei der Sommerakademie soll es nicht um das Ego gehen, sondern um das Verständnis als Künstler. Ich zitiere da immer gern Edwin Fischer: Belebe die Werke, ohne ihnen Gewalt anzutun. Darum geht es bei uns. Vier Tage nur mit der Musik zu sein. Und das in einer so wahnsinnig schönen und inspirierenden Umgebung.

In diesem Jahr leitet Dmitri Baschkirow den Meisterkurs, zu dessen Schülern unter anderem Arcadi Volodos zählte.

Ja, und dass Dmitri Baschkirow nach Potsdam kommt, ist für mich ein Ritterschlag.

Wie viele Meisterschüler wird er unterrichten?

Es sind zehn Schüler, die wir aus über 30 Bewerbungen ausgewählt haben. Damit sind wir vollständig ausgelastet. Erst gestern wurde ich noch mit der Bitte bestürmt, einen weiteren Schüler aufzunehmen. Aber ich habe abgelehnt.

Was ist das Besondere an einem Meisterkurs? Auf den ersten Blick sind das nur vier Tage Intensivunterricht am Klavier?

Nein, denn es entsteht da etwas sehr Persönliches. Unsere Schüler leben kostenlos bei Gastfamilien, sie können kostenlos an der Städtischen Musikschule üben. Und bei einer Kursgebühr von 450 Euro kann auch keiner von Abzocke reden.

Haben Sie Dmitri Baschkirow schon einmal in einem Meisterkurs erlebt?

Ja, und es ist faszinierend, ihm zuzuhören. Er ist eine so große Persönlichkeit. In der Sommerakademie wird er sich mit klassisch-romantischem Material, aber auch mit hochinteressanten russischen Kompositionen beschäftigen. Und man muss Baschkirow erleben, wenn er in Fahrt kommt und der Schüler gut ist. Dann ist er gar nicht mehr zu bremsen. Und man kann unwahrscheinlich viel von ihm lernen, einfach nur indem man zuhört. Es geht um die Analyse und Interpretation bestimmter Werke. Das ist eine großartige Arbeit.

Auch für Sie?

Ja, total. Das ist unglaublich. Baschkirow kann auch streng sein, aber gütig streng. Er verlangt viel, gibt aber auch sehr viel zurück. Und er nimmt jeden ernst. Das mag jetzt etwas befremdlich klingen, aber in seinem solchen Meisterkurs ist das Niveau ja nicht immer gleich. Aber Baschkirow behandelt jeden gleich. Wenn der Schüler aber die Musik nicht ernst nimmt, kann er schon sehr unangenehm werden.

Dieser Meisterkurs ist nicht nur für Schüler offen, auch Zuhörer können kommen. Wird das überhaupt angenommen?

Wir sind ja keine Massenveranstaltung, das ist schließlich auch eine stille Kunst. Ein solcher Kurs richtet sich daher schon an ein spezielles Publikum. Das ist wie ein intimer Kreis. Aber zu den Abschlusskonzerten, da kommt das Publikum. In diesem Jahr soll es auch zwei Workshopkonzerte in der Französischen Kirche geben. Ganz spontan. Damit die Schüler nicht nur den ganzen Tag im Kurs sitzen und arbeiten, sondern am Abend auch auf die Bühne gehen.

Das Gespräch führte Dirk Becker

Abschlusskonzert des Klaviermeisterkurses mit Dmitri Baschkirow am Freitag, dem 12. Juli, um 19.30 Uhr in der Orangerie von Schloss Glienicke an der Glienicker Brücke. Der Eintritt kostet 20, ermäßigt 10 Euro. Weitere Informationen unter www.edwinfischersommerakademie.com

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