Kultur: Wer nachdenkt, hat schon verloren
Von Maden war an diesem Abend nicht die Rede. Aber von Fauchschaben, den Lieblingstieren von Mark Beneke, auch bekannt als der „Madenmann“.
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Von Maden war an diesem Abend nicht die Rede. Aber von Fauchschaben, den Lieblingstieren von Mark Beneke, auch bekannt als der „Madenmann“. Er hatte ein paar Exemplare dieser Insekten, die bis zu stolze acht Zentimeter groß werden können, als Anschauungsmaterial zu seinem Auftritt in die Waschhaus Arena mitgebracht. Doch da diese Viecher keinen Winterschlaf zu halten pflegen, hatten zwei die Flucht ergriffen. Mark Beneke erwähnte das nur am Rande mit dem Hinweis, dass besagte Fauchschaben harmlos seien. Wem sie über den Weg krabbeln sollten, der möge sie bitte zurückbringen. Und schon ging es weiter im Programm, in diesem Fall um einen abgeschlossenen Mordfall mit 50 Messerstichen und eine Täterschaft, die durch Benekes akribische Spurensuche doch nicht mehr so klar und unanfechtbar erschien, wie Staatsanwaltschaft und Polizei einst dachten.
Mark Beneke ist ein Phänomen. Das wurde wieder deutlich bei seinem ausverkauften Auftritt in der Waschhaus Arena am Donnerstag. Das war ein Zusatztermin, weil sein Auftritt am gestrigen Freitag seit Wochen schon ausverkauft war. Und obwohl der Mann als Kriminalbiologe und Spezialist für forensische Entomologie, sprich Insektenkunde, vorwiegend über Verwesungsprozesse an Leichen, Massenmördern, spontane Selbstentzündungen von Menschen, eingeschlagene Schädel und Zerstückelungen spricht und fast schon wie eine Mantra regelmäßig wiederholt, wie wenig aufregend sein Beruf doch sei, die Leute kommen in Massen und feiern Beneke wie ein Popstar. Und der genießt das mit der ehrlichen Freude eines kleinen Jungen.
Von dieser Kindlichkeit sprach Beneke immer wieder. Denn gerade diese unvorbelastete, von purer Neugier geprägte Herangehensweise von Kindern sei notwendig, um die manchmal so unwahrscheinlichen Tatabläufe überhaupt rekonstruieren zu können. Denken, so Beneke, sei in solchen Fällen das Böse. Denn wenn wir nachdenken, bewegen wir uns in vorgeprägten Bahnen und verstellen uns so den Blick für das scheinbar Unmögliche, für das, was eigentlich nicht sein kann, aber dann doch passiert ist.
„Tuffi!“, war Benekes ständiges Signalwort in diesem Fall, hinter dem sich eine hanebüchene, aber wahre Geschichte um einen Elefanten verbirgt, die hier aus Platzgründen nicht wiedergegeben werden kann. Genauso wenig wie Benekes fesselnde Ausführungen zum besagten Mordfall mit 50 Messerstichen, die, trotz Benekes wiederholten Beteuerungen, dass Polizei und Gericht damals ordentliche Arbeit geleistet hätten, weil sie ja davon ausgingen, die Täterin zu kennen, den eigenen Glauben an vorbildlicher und akribischer Spurensicherung am Tatort schwer erschütterte. Nur so viel noch: Mark Beneke sprach an diesem Abend zweieinhalb Stunden ohne Punkt und Komma. Und man hätte ihm gern mindestens noch einmal so lange zugehört. Dirk Becker
Dirk Becker
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