Kultur: West-östlicher Roman über den Umbruch Karl-Dieter Keim liest aus „Die kühneren Tage“
Es scheint, als würde sie nie abreißen, diese Diskussion. Diese scheinbar nie endende Aufarbeitung der Folgen der Wiedervereinigung, die seit 20 Jahren in den Medien und vor allem auch in den Köpfen der Menschen steckt.
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Es scheint, als würde sie nie abreißen, diese Diskussion. Diese scheinbar nie endende Aufarbeitung der Folgen der Wiedervereinigung, die seit 20 Jahren in den Medien und vor allem auch in den Köpfen der Menschen steckt. Doch stellt sich trotzdem die Frage, welche neuen Facetten auch nach über 20 Jahren noch der Wiedervereinigung zugefügt werden können. In seinem „west-östlichen“ Roman „Die kühneren Tage“ zieht Karl-Dieter Keim Bilanz über die Ereignisse dieser Zeit, die Abgründe des Wissenschaftsbetriebes und seine Abhängigkeiten. Am heutigen Mittwoch stellt Karl-Dieter Keim seinen Roman im Literaturladen Wist vor.
Es sind die Jahre der Wiedervereinigung, des Umbruchs, die Karl-Dieter Keim beschreibt. Keiner kann sich gegen die Veränderungen wehren, keiner ihnen ausweichen. So mancher möchte es auch gar nicht. Die Luft scheint von frohen Erwartungen der Massen regelrecht zu vibrieren. Vor allem in Berlin sind die Umbrüche und Veränderungen, die mit der Wende einhergehen deutlich spürbar. Auch den jungen Wissenschaftler Jörg Kemmler hat die Welle des Aufruhrs erfasst. Kemmler stammt aus Süddeutschland und doch zieht es ihn schon während der 70er Jahre nach Berlin. In Berlin-Steglitz hat er seine neue Heimat gefunden. In die Zeit der Wiedervereinigung fällt seine beruflich wohl größte Chance: Er wird Leiter eines Berliner und Potsdamer Forschungsinstitut. Die Umstrukturierung des Wissenschaftsbetriebes nach der Wiedervereinigung stellt besonders Jürgen Kemmler vor die schwierige Aufgabe, ein Forschungsinstitut in die Bestrebungen einer blühenden Wissenschaftslandschaft in Ostdeutschland einzuordnen. Eine Reise nach Mexiko, die mit dem Antritt seiner Stelle als Instituts-Leiter zusammenfällt, bieten sich ihm diverse Möglichkeiten, der Erfüllung der Forschungsziele an seiner Einrichtung auf internationaler Ebene näher zu kommen. Da der wissenschaftliche Alltag in Mexiko stark von wirtschaftlichen Interessen staatlicher und privater Großkonzernen ist, lässt schnell erkennen, dass wissenschaftliches Streben niemals frei von Abhängigkeiten ist. Als nach 20 Jahren Jörg Kemmler ins Fadenkreuz eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses gerät, begibt er sich zurück in jene Zeit des Umbruchs der Lebensverhältnisse und ins undurchschaubare Dickicht eines Wissenschaftsbetriebes aus einflussreichen Consultants, ausländischen Investoren, der mächtigen Treuhandanstalt und Ministerialbeamten.
Als Wissenschaftler kennt Karl-Dieter Keim, der als Direktor des raumwissenschaftlichen Leibniz-Instituts in Erkner tätig war und Stadt- und Regionalentwicklung an der Universität Cottbus lehrte, die Wirren um wissenschaftliche Politik und deren Abgründe. Als west-östlicher Roman bereitet Karl-Dieter Keim die Zeit der Wiedervereinigung aus einer neuen Perspektive auf. Doch regt „Die kühneren Tage“ (Berlin University Press, 22,90 Euro) nicht nur zum Nachdenken über bereits vergangene Prozesse an, sondern eröffnet auch eine Diskussion zur zukünftigen Rolle und Verantwortung der Wissenschaft. Chantal Willers
Karl-Dieter Keim liest am heutigen Mittwoch, 18 Uhr, im Literaturladen Wist, Dortustraße 17 (Ecke Brandenburger Straße). Der Eintritt kostet 5 Euro
Chantal Willers
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