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Kultur: Wider das Vergessen

Bilder und Skulpturen des italienischen Widerstandskämpfers Vittore Bocchetta im Alten Rathaus

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Bilder und Skulpturen des italienischen Widerstandskämpfers Vittore Bocchetta im Alten Rathaus Mit der Ausstellung „Vittore Bocchetta – Bilder und Skulpturen“ im Alten Rathaus begegnen wir dem Werk und Leben eines Menschen, der trotz aller Erfahrung von Unterdrückung und Leid bis ins hohe Alter hinein die Kraft hat, Zeichen der Versöhnung zu setzen. Vittore Bocchetta, 1918 auf Sardinien geboren, geriet 1941 als Student durch eine zufällige Schicksalsbegebenheit in den italienischen Widerstand. Nach dem Sturz Mussolinis zum Aktivist in der antifaschistischen Untergrundbewegung in Verona geworden, wurde Bocchetta 1944 von der deutschen Besatzung über Bozen ins KZ Flossenbürg nahe der tschechischen Grenze deportiert. Aus der Veroneser Widerstandsbewegung haben nur er und ein weiterer Landsmann das KZ überlebt. 1945 gelang Bocchetta bei einem Evakuierungsmarsch die Flucht. Die traumatischen Erlebnisse seiner Inhaftierung in Flossenbürg und in dessen Außenlager Hersbruck hat der Künstler und Autor Vittore Bocchetta in eindringlichen Zeichnungen, Collagen und Notizen für sich verarbeitet und schließlich öffentlich gemacht. „Quinquennio Infame“ – auf Deutsch „Jene verdammten fünf Jahre“ – so der Titel der Aufzeichnungen, die Bocchetta erst mit dem Abstand von rund vierzig Jahren in Erinnerung an die Zeit des Widerstands und an die Konzentrationslager Flossenbürg und Hersbruck niederschrieb. Es ist der bisher einzige ins Deutsche übersetzte Bericht eines Italieners über Flossenbürg und Hersbruck, deren Existenz – anders als Orte wie Dachau, Buchenwald und Auschwitz – aufgrund ihrer bisherigen Nicht-Thematisierung gerade in Deutschland außer von den direkt Betroffenen nie wirklich wahrgenommen worden sind. Die besondere Bedeutung und historische Chance der sowohl verbalisierten als auch visualisierten Aufzeichnungen Vittore Bocchettas liegen darin, dass Ziel und Motivation nicht die Anklage sind. Frei von jeder Partei- oder Ideologiezugehörigkeit, verkörpert sich bis heute in dem Künstler, Philosophen, Lehrer, Sprachwissenschaftler und Schriftsteller eine Verbindung von politischem Engagement und geistiger Liberalität, die den Zeitzeugen zum Botschafter zwischen Menschen, Zeiten und Nationen werden lässt. Botschafter fern von geschichtlichen Zusammenhängen und Realitäten, die als Teil der deutsch-italienischen Vergangenheit immer noch weitestgehend unbekannt sind. Botschafter aber auch in dem Sinne, dass es Bocchetta schon immer um die Aussendung von Zeichen der Versöhnung ging. Im Nachkriegsitalien völlig unverstanden, wählte er damals die Emigration nach Argentinien, Venezuela und ab 1958 die USA. Erst Anfang der neunziger Jahre kehrte er nach Italien zurück. Mit den Jahren hatte er den Schwerpunkt seiner Arbeit von der Lehrtätigkeit und Forschung immer mehr hin zur Kunst verlagert. Ein Teil der in Südamerika, in den USA und später in Italien entstandenen Bilder und Skulpturen sind nun dank der Initiative der Organisation IDEA (Italienisch-Deutsch-Europäischer Austausch) und auf Einladung der Brandenburgischen Gesellschaft der Freunde Italiens e.V. „Il Ponte“ als weiteres Kooperationsprojekt des Vereins mit dem Potsdam Forum im Alten Rathaus zu sehen. Es ist eine Wanderausstellung, die zuvor bereits in Detmold und Wolfsburg zu sehen war. Vittore Bocchetta wird von den Veranstaltern in etwa drei Wochen als Gast in Potsdam erwartet. Über mehrere Tage wird der Zeitzeuge für Begegnungen, vor allem mit der Jugend, zur Verfügung stehen. Und sich damit aufs Neue seinen selbst gestellten Auftrag erfüllen, über das gemeinschaftliche Gespräch gerade mit jungen Leuten in ein düsteres Kapitel Vergangenheit und gleichzeitig in Perspektiven menschlicher Versöhnung hineinzusehen. Almut Andreae „Vittore Bocchetta – Bilder und Skulpturen“ im Alten Rathaus. Bis zum 4. Juli, Dienstag bis Sonntag 10-18 Uhr.

Almut Andreae

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