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Kultur: Wie die Welt vom Lenkrad aus wirkt

Werkschau im KunstHaus: Der Künstler Peter Berndt malt seit 50 Jahren Bilder aus der Perspektive eines Autofahrers

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Peter Berndt ist fasziniert von der Wahrnehmung während des Autofahrens. Die Bilder des in Berlin lebenden Künstlers wirken, als wären sie direkt vom Autositz aus gemalt worden. Ob sich durch Berge und Wiesen mäandernde Straßen oder prächtige von Bäumen gesäumte Alleen – seine eigenwillige Landschaftsmalerei zeigt stets den Blick vom Lenkrad aus durch die Fensterscheiben oder in den Rückspiegel. Eine aktuelle Ausstellung im KunstHaus Potsdam zeigt unter dem Titel „Erfahrungen“ eine Werkschau seines künstlerischen Schaffens der letzten 50 Jahre.

Berndts Begeisterung für das Reisen mit dem Auto ist in all der Zeit unverändert geblieben. Dafür haben sich umso mehr sein Blickwinkel auf die Landschaft und sein eigener künstlerischer Stil gewandelt. Der 1937 in Neugersdorf in der Oberlausitz geborene Künstler studierte ab Mitte der 50-er Jahre an der Berliner Hochschule für Bildende Künste. Die Kunstrichtungen jener Zeit prägten seine erste große Schaffensperiode in den 60-ern und 70-ern. Seine figurative Malerei zeigt Spuren des Neorealismus, der Pop Art und des Surrealismus. Mit kräftigen, kontrastreichen Farben sind auf diesen Arbeiten Motive abgebildet, die an jeder Straße zu finden sind – Schriftzüge von Reklametafeln, Ausschnitte einer Tankstelle, Verkehrsschilder oder Leitplanken. Die Szenerien sind durch eine unnatürliche Farbgebung und künstliche oder verfremdete Objekte durchbrochen. Kilometerstecknadeln, die man aus den Autoatlanten kennt, markieren, auf überdimensionale Größe angewachsen, die Strecke. Die Straßen sind in Rottönen gehalten und mit Nummern gekennzeichnet, wie Fernstraßen auf Karten. Die Landschaft daneben, mit ihren Bäumen und Häusern, ist oft nur angedeutet und wenig detailreich. Eilig fliegt das Auto hier vorbei und nur oberflächlich kann der Betrachter die Umwelt während der Fahrt wahrnehmen. Die Eindrücke sind so schnell weg, wie sie gekommen sind. Ein echter Genuss auf dieser Reise will sich nicht einstellen. Der Blick bleibt vor allem auf der Straße haften.

In seinen späteren Arbeiten ab Ende der 70-er Jahre wendet sich Peter Berndt den Alleen und Straßen in Brandenburg, seiner Heimat, zu. Immer noch scheint der Betrachter aus dem Auto heraus die vorbeiziehende Landschaft zu beobachten. Der Blick ist jedoch, anders als bei den früheren Werken, begrenzt. Nun sind es vor allem die Bäume an den Straßenseiten die im Mittelpunkt stehen. Ein Meer aus Blättern und Ästen in weichen, hellen Schattierungen. Statt klarer Formen und kräftiger Farben dominieren Licht und Schatten, die sich während der Autofahrt durch den Blätterwald rhythmisch abwechseln. Die Atmosphäre des Moments und die Empfindung des Reisenden, die eingefangen wurde, ist wichtiger als einzelne Details. Der Impressionismus hat deutliche Spuren auf diesen Bildern hinterlassen. Die Konturen und Farben der Bäume und Blätter sind verwischt und verlaufen ineinander. Der Eindruck von Geschwindigkeit und Bewegung entsteht. Doch diese Fahrt geht eher gemächlich dahin und bereitet echte Sinnenfreude.

Peter Berndts stimmungsvolle und inspirierende Bilder, denen der Schriftsteller und Peter-Huchel-Preisträger Jürgen Becker zahlreiche Gedichte widmete, sind noch bis zum 4. Oktober in der Ausstellung „Erfahrungen“ im KunstHaus Potsdam zu sehen. Sarah Stoffers

Am morgigen Sonnabend findet um 15 Uhr im Kunstverein KunstHaus Potsdam, Ulanenweg 9, eine Führung durch die Ausstellung mit der Kunsthistorikerin Angelika Euchner statt.

Sarah Stoffers

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