Kultur: Wie ein farbenprächtiger orientalischer Teppich
Allegoria Stanza – kraftvolle Eröffnung der Tanztage
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Allegoria Stanza – kraftvolle Eröffnung der Tanztage Ein Feuerwerk an choreographischen Ideen – hinreißend getanzt – das gab es am Mittwochabend bei der Eröffnung der 15. Potsdamer Tanztage der fabrik in der Russenhalle zu sehen. „Allegoria Stanza“ – so lautete der Titel des Stücks, das die 10-köpfige französische Kompagnie „La Baraka“ präsentierte, ein Stück, das von Kompagnieleiter Abou Lagraa bereits 2002 choreografiert wurde. Lagraa, Franzose algerischer Abstammung, gilt in Frankreich als „choreografische Hoffnung“ – und das zu Recht. Denn dem 35-Jährigen ist es auf wunderbar einfühlsame Weise gelungen, HipHop und zeitgenössischen Tanz zu einer ganz neuen, hoch spannenden Bewegungssprache zu verschmelzen. In locker geschnittenen Hosen und Oberteilen, changierend von rostbraun bis hellorange, betreten die Tänzer nach und nach die Bühne und beginnen zunächst, fast meditativ in sich versunken, den Raum um sich herum in Besitz zu nehmen. Wellenbewegungen durchlaufen Oberkörper und Arme, Linien werden immer wieder gebrochen, kleine, fast ornamentale Gesten weisen in den Raum. Dazu erklingt arabischer Gesang, rhythmisch untermalt von Trommeln. Denkbar einfach und dennoch verblüffend wirkungsvoll ist das Bühnenbild gehalten – eine große Leinwand im Hintergrund dient zeitweise als Projektionsfläche. Zwei weitere weiß ausgelegte Bahnen neben der eigentlichen Tanzfläche werden benutzt, wenn die Tänzer sich hintereinander formieren und für kurze Momente synchron die gleichen Bewegungen ausführen. Doch Sekunden nur dauern diese Momente an, denn obwohl die wunderbar ausgewählten Tänzerinnen und Tänzer mitunter das gleiche Vokabular benutzen, geschieht dieses doch zeitlich verschoben, räumlich versetzt oder mit winzigen Abweichungen. Spannend ist es, zu beobachten, wie unterschiedlich da Bewegungen von den Einzelnen interpretiert werden – ob kraftvoll-rhythmisch, sinnlich-geschmeidig oder fast kontemplativ. Mit zarter Berührung wird die Projektionsfläche „zum Leben erweckt“ – kreisförmige Wellen, verursacht durch einen ins Wasser geworfenen Stein sind darauf zu sehen. Später wird daraus eine Brandung, ein starker Kontrast zu der davor agierenden Tänzerin, die angesichts des kraftvollen Elements plötzlich so zerbrechlich scheint. Darin liegt eine der Stärken des Choreografen Abou Lagraa – blitzschnell wechseln bei ihm die Stimmungen: von melancholisch-anrührend über energiegeladen bis komisch. Da schieben sich drei Tänzer hintereinander mit stakkatohaften Schritten und Armbewegungen am Bühnenrand entlang, rhythmische Geräusche ausstoßend. Doch dann sind schon wieder Trommeln zu hören und gleich darauf eine Basaratmosphäre, der Ruf eines Muezzins, ganz langsam, nahezu in Zeitlupe gleiten dazu zwei Tänzerinnen über die Bühne. Ähnlich wie die Musik, die zwischen arabischem Gesang, Elektrosound und Jazzpiano wechselt, spielt Abou Lagraa mit Tempi und Rhythmen und schöpft dabei aus einem unglaublich ergiebigen Bewegungsfundus. Wie er Elemente aus dem HipHop und zeitgenössischem Tanz zusammenbringt, immer wieder variiert und dabei so viel Interessantes entsteht – das ist spannend zu beobachten. Einem farbenprächtigen orientalischen Teppich gleicht damit das Stück „Allegoria Stanza“ – mit Tausenden von ineinander verknüpften Fäden die zusammen ein äußerst faszinierendes Farben- und Musterspiel ergeben.Sabine Loeprick
Sabine Loeprick
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