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Kultur: Wie ein Tanzbär im Röckchen Das Violoncello piccolo im Havelschlösschen

Dass ausgerechnet die Sonate für Viola da Gamba und Cembalo von Johann Sebastian Bach am überzeugendsten geriet, verblüffte dann doch. War doch die zuvor gespielte Suite Nr.

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Dass ausgerechnet die Sonate für Viola da Gamba und Cembalo von Johann Sebastian Bach am überzeugendsten geriet, verblüffte dann doch. War doch die zuvor gespielte Suite Nr. VI in D-Dur von Bach maßgeschneidert für das Violoncello piccolo, das am Donnerstag im Mittelpunkt des Konzerts im fast ausverkauften Klein Glienicker Kammermusiksaal Havelschlösschen stand. Adele Bitter, Cellistin beim Deutschen Symphonieorchester Berlin (DSO), hat sich dieses Instruments angenommen, das nur kurze Zeit im Barock gespielt wurde. Statt vier hat es fünf Saiten und ist entsprechend der historischen Aufführungspraxis mit Darm bespannt. Und vielleicht lag es an der berühmt-berüchtigten Eigenwilligkeit der Darmsaiten, die Adele Bitters Spiel, hauptberuflich im DSO ja auf Stahlsaiten zu Hause, nicht immer zu einem Hörgenuss machte.

Die Sechste also von Bachs Suiten für Violoncello solo, die nicht ohne Grund als oberster Prüfstein für jeden Cellisten bezeichnet werden. Während die ersten fünf dieser Suiten für das viersaitige Cello geschrieben sind, steht bei der sechsten der Hinweis „Violoncello piccolo“. Es braucht die fünfte Saite, heißt es immer wieder, ansonsten seien die Schwierigkeiten in den sechs Sätzen kaum zu bewältigen.

Diese spieltechnischen Schwierigkeiten, das Akrobatisch-Fingerbrecherische, das Bach hier vom Cellisten verlangt, bewältigte Adele Bitter souverän. Nur das Beseelte, der Klang also und damit verbunden der Ausdruck, das Traumhaft-Schwebende, Tänzerisch-Verspielte, war in den ersten drei Sätzen nur selten zu spüren. Fast schien es, als wollten Instrument und Spielerin nicht so recht zueinander finden, gab sich das Violoncello piccolo streckenweise äußerst kratzbürstig. Erst mit der Courante, später dann auch in der Gavotte 1 & 2 und der abschließenden Gigue war das Strahlen, dieser Zauber, der diesen Suiten innewohnt, hör- und spürbar.

Eröffnet hatte Adele Bitter das Konzert mit zwei Sonaten von Arcangelo Corelli. Zwei Sonaten für die Violine, hier nun arrangiert für das Violoncello piccolo. Gerade erst hatte der Cellist Jan Vogler in einem PNN-Interview über die wunderbar dunklen Farben, diese Melancholie im Klang des Violoncellos gesprochen. Und so blieb, auch wenn die fünfte Saite auf dem Violoncello piccolo genauso gestimmt ist wie die hohe Saite auf der Violine, eine gewisse Skepsis, wenn Violinsonaten auf einem Cello gespielt werden. Denn mit ihrer tänzerischen Leichtigkeit, dieser spritzigen Virtuosität ist die Violine einer Ballerina gleich. Versucht man dies nun auf ein Cello zu übertragen, wirkt das, als würde man einen Tanzbären in ein Ballerinaröckchen stecken und von ihm plötzlich Wunder erwarten. Und so wirkten diese beiden Sonaten von Corelli, eine davon die bekannte „La Follia“, vor allem bemüht und angestrengt, auch wenn Sabine Erdmann am Cembalo immer wieder wusste, Glanzpunkte zu setzen.

So war es erst die Sonate für Viola da Gamba und Cembalo in D-Dur vom Altmeister Bach am Ende des Konzerts, die einen an diesem Abend mit dem Violoncello piccolo versöhnte. Da waren Farbe und Charakter, lustvolle Virtuosität und genussvolles Temperament. Zwei Musikerinnen, die sich hingaben und endlich auch etwas wagten. Der begeisterte Applaus fiel dann auch entsprechend lang anhaltend aus. Dirk Becker

Dirk Becker

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