Eine Berliner Tageszeitung berichtete Anfang der vierziger Jahre: „In Scharen kommen die Berliner zu diesen sommerlichen Musiktagen herüber, um in einer unvergleichlichen Umgebung ihre Philharmoniker zu hören und die beschwingte, lichte Musik des Rokoko im Stadtschlosshof selbst und im Rahmen der großen Rokokobaukunst mitzuerleben.“ Die Festlichen Musiktage Potsdam sollten das kulturelle Leben während der nationalsozialistischen Zeit in den Junitagen ab 1938 aufwerten. Sie dienten auch der Kulturpropaganda, denn so monströser man Verbrechen plante und beging, desto wichtiger wurden ihre Legitimationen. Konzertangebote mit Werken der großen Meister Bach, Mozart, Beethoven oder Brahms gehörten zur Strategie der Machthaber. Doch auch neue Musik konnte erklingen, Kompositionen, die vor allem die Tradition wahren sollte. Der stramme Nazi-Oberbürgermeister Hans Friedrichs galt als Initiator des Festes und wurde auch dessen Schirmherr. Kammer-, Chor- und Sinfoniekonzerte wurden in den verschiedensten Konzertsälen und Kirchen der Stadt angeboten, auch im Nikolaisaal, der zur St. Nikolai-Gemeinde gehörte.
International bekannte Künstler, die während der Sommer-Meisterkurse im Marmorpalais im Neuen Garten begabte Studenten aus dem In- und Ausland unterrichteten, gaben im Nachklang auch ein Konzert zu den Festlichen Musiktagen, unter anderen der Geiger Georg Kulenkampff und der Pianist Edwin Fischer. Natürlich auch Wilhelm Kempff, der von Potsdam aus seine große pianistische Karriere begann und in der ehemaligen Residenzstadt bis 1945 lebte. Als Komponist stellte sich Kempff ebenfalls hin und wieder seinem Publikum vor, auch zu den Festlichen Musiktagen. So fand am 27. Juni 1942 im Konzerthaus (ehemals Haus der Offiziere) ein Abend statt, an dem Werke Potsdamer Komponisten aufgeführt wurden. Deren Schaffenskraft lobte der renommierte Musikwissenschaftler Hans-Joachim Moser im Programmheft. Sie habe in neuerer Zeit eher zugenommen als nachgelassen, obwohl die aufgeführten Werke von Wilhelm Kempff, das Flötenquartett op. 15 und die „Musik im Frühling“ op. 28 bereits 1922 und 1926 geschrieben wurden. Auf dem Programm standen weiterhin das Konzert für Klarinette und Streichorchester op. 17 von dem vor 100 Jahren in Potsdam geborenen Hans Brehme sowie von Hans Chemin-Petit die Kantate „An die Liebe“. Berühmte Künstler wie der Flötist Gustav Schreck, der Cellist Arthur Troester sowie Georg Kulenkampff gehörten zu den Interpreten des Konzerts.
Da es vor 1945 keine professionellen Klangkörper in Potsdam gab, gastierten Orchester Berlins während der Festlichen Musiktage. Im Hof des Stadtschlosses konnten hunderte Zuhörer Platz finden, um dem Spiel der Musiker zu lauschen. Das Berliner Philharmonische Orchester unter der Leitung seines Chefdirigenten Wilhelm Furtwängler, der damals in der Fasanerie im Park Sanssouci wohnte, war ständiger Gast des Musikfestes. Der Potsdamer Dirigent und Komponist Hans Chemin-Petit, der vor allem in der Nachkriegszeit das kulturelle Leben der Stadt belebte, trat des Öfteren an das Pult der Berliner Philharmoniker. So auch am 24. Mai 1942 während der Festlichen Musiktage im Stadtschlosshof, als er seine Bearbeitung von Johann Sebastian Bachs Präludium und Fuge G-Dur selbst aus der Taufe hob. Klaus Büstrin
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