Kultur: Wie Gott Pan persönlich Flötist Emmanuel Pahud im Nikolaisaal
Wer von international bekannten Künstlern Flöte spielt und auf sich hält, findet früher oder später den Weg nach Potsdam. Oder lässt (als Komponist) diesbezügliche Novitäten, vom Genius loci geadelt, hier uraufführen.
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Wer von international bekannten Künstlern Flöte spielt und auf sich hält, findet früher oder später den Weg nach Potsdam. Oder lässt (als Komponist) diesbezügliche Novitäten, vom Genius loci geadelt, hier uraufführen. Wie jüngst Claudia Stein, Soloflötistin der Staatskapelle Berlin, die mit dem Staatsorchester aus Frankfurt Gisbert Näthers Flötenkonzert im Nikolaisaal aus der Taufe hob.
Nun wandelte der gegenwärtig wohl weltbeste Flötist Emmanuel Pahud, Soloflötist der Berliner Philharmoniker, auf ebensolchen Wegen. Gemeinsam mit der von Michael Sanderling geleiteten Kammerakademie Potsdam brachte er innerhalb der Reihe „Stars international“ das „Meridian“ genannte Konzert für Flöte und Streicher von Frank Michael Beyer (geb. 1928) zur Uraufführung, sorgte mit weiteren Flötentönen aus klassischem und gemäßigt-modernem Fundus für Hörerlebnisse der Extraklasse.
Den Titel des Werkes deutet Beyer als einen „imaginären Mittelpunkt, auf den sich alle musikalischen Entwicklungen beziehen“. Im Zentrum der fünfsätzigen, konzentrisch angelegten Komposition steht ein „Passionato“, in dem sich der Solist von seiner virtuosen Seite zeigen kann. Was Pahud nach Herzenslust und mit exzellenter Blastechnik auch tut, es sichtlich wie hörbar genießt. Davor brilliert er in einem zartgetönten Solo, danach duettiert er mit der Violine (Peter Rainer), wobei sich Klanggespinste von ätherischer Zartheit gleich einer Glasharmonika erzeugen. Im aufgeregten Einleitungssatz „Con moto“ wechseln Flötentriller mit ruhigen, quasi liegenden Klangflächen. Im finalen „Largo“ haben sich die vielfältigsten, auseinander strebenden musikalischen Entwicklungen schließlich zu einem elegischen Abgesang verdichtet. Mit seinem feinsinnigen, dynamisch nuanciertem Spiel macht Emmanuel Pahud selbst den anwesenden Komponisten staunen. Doch bereits vorher hat das schweizerische Blaswunder bei der Bewältigung des Soloparts im Flötenkonzert von Jacques Ibert (1890-1962) ein Feuerwerk an glitzernden Kapriolen gezündet. Völlig ebenmäßigen Tons steigen kapriziöse Tongirlanden empor, zerplatzen in flächiger Farbenpracht. Unendlich flutet der Atemstrom durch das immer wieder optisch kontrollierte Blasrohr, damit auch nicht die kleinste Respirationsablagerung den absolut reinen Ton trüben kann. Voller ungebremster Spielfreude und körperlicher Hingabe stürmen die beiden Allegrosätze dahin. Von seinem hochkonzentrierten Spiel voller Noblesse und Leichtigkeit kündet auch das Andante, das sich genüsslich aussingt und von einer Parfumnote à la Chanel Nr. 5 überhaucht scheint. In wunderschön weiches Chiffongewand ist Mozarts C-Dur-Andante für Flöte und Orchester KV 315 gekleidet, das Pahud in feinstem Farbenspiel erblühen und erglühen lässt. Eine ausufernde Kadenz hat Frank Michael Beyer hinzukomponiert – das Verfahren scheint in Mode zu kommen. Pahuds perfekter Ansatz: wie von Gott Pan persönlich. Entsprechend wird er gefeiert. In den ist auch die Kammerakademie einbezogen, die eingangs mit einer eher rabiaten und überlauten Deutung von Beethovens „Prometheus“-Ouvertüre in Erscheinung tritt. Breit wird die langsame Einleitung genommen, überdreht und klangscharf das Allegro. Solche kantige Spielweise muss sich auch die 1. Sinfonie C-Dur op. 21 gefallen lassen. Eine gewisse Schroffheit ist nicht zu überhören und auch die sich zunehmend manifestierende Manie der Überakzentuierung dürfte nicht nach jedermanns Geschmack sein. Peter Buske
Peter Buske
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