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Kultur: Wie soziale Gerechtigkeit Kulturlandschaften formen könnte
Das Große Waisenhaus zeigt eine Ausstellung mit Arbeiten von Ludwig Krause und Katrin Günther
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Schwarze Gestalten stehen im Oderbruch. Auf einen Stock gestützt beobachten sie, wie sich das blaue Band des Flusses durch das Binnendelta schlängelt. Friedrich der Große, seine Statue, wacht über die Landschaft, deren Erscheinung er vor rund 300 Jahren geprägt hat.
Die meterlange Karte, die der Künstler und Landschaftsplaner Ludwig Krause vom Oderbruch gezeichnet hat, ist Teil einer Ausstellung im Haupttreppenhaus des Großen Waisenhauses Potsdam.
Bilder von Denkmälern, Kirchen, Fachwerkhäusern und Wäldern hat Krause in die Karte eingefügt. „Ich wollte zeigen, was alles eine Landschaft formt, die Menschen, die Kultur, den Verkehr, die Ökonomie“, erklärt Krause die Entstehung seiner ausgreifenden Panoramen, die derzeit zusammen mit Zeichnungen und Bildern von Katrin Günther zu sehen sind.
Als der ehemalige Umweltminister und Leiter des IASS, Klaus Töpfer, die Ausstellung im Treppenhaus des ehemaligen Heimes für verwaiste Soldatenkinder eröffnete, lobte er die Bilder Krauses als „Sternstunde der Nachhaltigkeit“. Die detailreichen, malerisch gehaltenen Karten illustrierten aufs Schönste, wie Ökologie, Ökonomie und soziale Gerechtigkeit zusammenspielen und so eine harmonische Kulturlandschaft formen könnten. Der 1941 geborene Krause versteht seine Panoramen als Hommage an die Gegend, in der er als Planer und Städtebauer mehrere Jahrzehnte gewirkt hat. Zunächst als Mitarbeiter von Bau- und Planungsämtern, dann als selbstständiger Ingenieur. Die Ausstellung ist Teil des Kulturlandjahres Berlin-Brandenburg 2015. Sie zeigt zwei ganz verschiedene Möglichkeiten, sich mit künstlerischen Mitteln einer Landschaft zu nähern. Krause möchte die Betrachter seiner Zeichnungen an die Landschaft heranführen und ihnen die Augen für die Schönheit der Gegend, in der sie wohnen, öffnen. Katrin Günther dagegen illustriert nicht, sondern zeigt Innenwelten. Ihre Landschaften sind menschenleer und nicht begehbar. Horizonte verlieren sich in der Unendlichkeit, Kästen stapeln sich vor viereckigen Bodenlöchern, seltsame Wohnräume kleben an Kanten von Abgründen. Fahles Licht fällt auf unbehauste Szenerien.
Die 1970 in Elsterwerda geborene Katrin Günther zeigt Bilder ihrer „Kollektion Tagebau“. „Das ist die Landschaft, in der ich aufgewachsen bin und die mich geprägt hat“, sagt Katrin Günther. Aber so ganz stimmt das nicht. Denn die Künstlerin malt keine Abbilder einer existierenden Natur, sondern zeigt die menschengemachte Prägung einer utopischen Zukunftslandschaft. Dort rotten die Hinterlassenschaften von Tagebaustätten. Raubbau und technologische Allmachtsfantasien haben das Land verwüstet. Obwohl sich auf den Bildern Günthers keine Figur findet, spiegeln sie möglicherweise die Befindlichkeiten der Menschen in der Lausitz wider, die auch heute von zwiespältigen Gefühlen zerrissen sind. Es sind Seelenlandschaften. Der Bergbau schafft Arbeit und somit Perspektiven für die Gemeinden und ihre Bewohner. Aber er zerstört die Natur und hinterlässt Wüsteneien, die mühsam wieder kultiviert werden müssen. „Vieles wird dort neu bepflanzt und geformt. Es entsteht dort ein ganz neuer Landschaftstyp“, sagt Günther.
Auch Krause denkt, dass die gegenwärtig viel diskutierte Landflucht gerade in den neuen Bundesländern und in den ehemaligen Bergbaugegenden nicht der Endpunkt der Landschaftsentwicklung ist. „Wir haben immer in die Zukunft geschaut“, beschreibt er seine Arbeit an ungezählten Plänen für Städte, Gemeinden und Dörfer in der verblichenen DDR. Damals wie heute sei es notwendig, Vertrauen in die eigene Gestaltungskraft zu haben. Dann könnten auch schwierige Probleme überwunden und die Zukunft gestaltet werden. Richard Rabensaat
Richard Rabensaat
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