Kultur: Wie über einen Leisten gezogen
Hoffmeister Quartett eröffnet die Konzertreihe im Kammermusiksaal Havelschlösschen
Stand:
Bäume und Schweizerhäuser, selbst das Gelände des Kammermusiksaals Havelschlösschen in Klein Glienicke sind plötzlich mit Schneepuder überstäubt. Winter ist zurückgekehrt, Stille deckt die Lande. Da kommt die Offerte zu einem „Konzert im Palais Lichnowsky“ des Instrumentenbauers Tilman Muthesius gerade recht, am Donnerstagabend in seinem archaisch-anheimelnden Musiksalon Klängen der Wiener Klassik zu lauschen. Während sich beim fürstlichen Beethoven-Förderer Carl Lichnowsky der musikbegeisterte Wiener Adel traf, geben sich in der Klein Glienicker Idylle die ortsansässigen, von der Krummen Lanke oder aus Babelsberg angereisten Musikliebhaber beim Saisonstart der Abokonzertreihe die Gartensaalklinke in die Hand. Dem Bullerofen entströmt wohlige Wärme. Den Instrumenten des eingeladenen Hoffmeister-Quartetts allerdings kaum jene erhoffte klangliche Geborgenheit, die man sich von Quartetten aus den Federn von Beethoven, Förster und Haydn hätte erwarten können.
Gespielt wird auf Originalinstrumenten aus dem 18. Jh. (Mantua und Tirol) oder auf Stilkopien wie der eines Stradivari-Cellos von Bastian Muthesius. Versiert sind alle vier Musiker – in der Barockmusik. Doch vielleicht liegt gerade hierin das Problem der leider wenig geglückten Wiedergaben? Bereits bei Joseph Haydns g-Moll-„Reiterquartett“ (op. 74 Nr. 4) sitzen erste und zweite Geige (Ulla Bundies, Christoph Heidemann) nicht nebeneinander, sondern sich gegenüber. Dazwischen sind linksseitig das Cello (Martin Seemann) und rechtsseitig die Bratsche (Aino Hildebrandt) platziert. Eine ungewohnte Sitzordnung, die durchaus an so manch klanglicher Unausgewogenheit Schuld gehabt haben dürfte.
Seinen Beinamen „Reiterquartett“ verdankt das Opus der rhythmischen Vehemenz seiner Ecksätze. Forsch und vibratolos geht man zu Werke, produziert schroffe, spröde, frostige und ungeschmeidige Klänge. Um die harmonischen Ausdrucksmöglichkeiten zu verschärfen, steigern sich die Vier in eine total unangemessene Verbissenheit und einen belanglosen Forteton. Bei solcher Herangehensweise leidet natürlich auch die Intonation in hohem Maße, sodass man sich bisweilen im studentischen Vortragsabend einer Musikhochschule wähnt. Fast ausnahmslos wird im Verlauf des Abends auf eine ermüdende Gleichwertigkeit der Stimmen und eine mangelhafte Differenzierung geachtet. Musikalisches Zentrum der „Reiterei“ ist das Largo, dessen schmerzlich-süßer Ton sich nur in forciertem Dauerstress ausdrückt. Unsauber und unpräzise geraten auch Bogenführung und -ansätze.
Nach ausgiebigen Nachstimmarbeiten geht es an das G-Dur-Quartett op. 7 Nr. 5 von Emanuel Alois Förster, der übrigens bei Lichnowksys halboffiziellen Hausmusiken mit Ludwig van Beethoven bekannt wurde. Schroff gedeutet und glanzlos gestrichen bleiben die Hoffmeisters sich auch hier treu: Alles klingt wie über einen Leisten gezogen. Nur in Beethovens F-Dur-Quartett op. 18 Nr. 1 wird das Bemühen um klangliche und dynamische Nuancierungen in Ansätzen erhörbar, nach differenziertem Ausdruck geforscht. Zusätzlich wären durchaus auch Gefühl, Klangwärme und Glanz denkbar gewesen. Erfreulich, dass man nun „con brio“ tatsächlich „mit Leidenschaft“ und nicht mit lautstarker Bärbeißigkeit wie bei Haydn übersetzt hat.
Als Zugabe gibts einen Romanzensatz des von ihnen wiederentdeckten Anton Ferdinand Titz, danach reicht „Fürst“ Muthesius Wein und Selbstgebackenes. Peter Buske
Peter Buske
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: