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Kultur: Wie war das eigentlich im „Dritten Reich“

Hardy Krüger war einer von denen, die im „Dritten Reich“ etwas ganz Großes hätten werden können. Er war einer der Auserwählten.

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Hardy Krüger war einer von denen, die im „Dritten Reich“ etwas ganz Großes hätten werden können. Er war einer der Auserwählten. Mit 13 Jahren kam er in die NS-Eliteschule Ordensburg Sonthofen.

Freitagvormittag in der Aula der Voltaireschule. Rund 200 Jugendliche gedrängt in den Stuhlreihen. Eine Lehrerin vorne auf dem Podium. Sie liest aus „Wir waren die Eliteschüler Hitlers“. Und sie hat mit der NS-Geschichte des bekannten Schauspielers und Weltenbummler-Autors Hardy Krüger ganz offensichtlich ein Thema gewählt, das interessiert. Er ist freiwillig nach Sonthofen gegangen, schreibt Krüger in seiner Erzählung. Für ihn sei Hitler für Deutschland das gewesen, was Jesus für die Katholiken war. Es ist still in der Aula.

Zum dritten Mal hat der Fachbereich Deutsch und Medien die jährliche Aktion „Voltaire liest“ organisiert. Der französische Denker und Namensgeber der Schule ist durch ein am Podium angebrachtes Schild präsent: „Es sollte sich niemand als Fremdling unter uns fühlen“, wird er darauf zitiert. Das Lesen ist an diesem Tag in der Aula die Sache einer Hand voll Lehrer. Nacheinander treten sie auf das Podium und tragen aus Werken vor, die ihnen selbst die Literatur nahe gebracht hat. Das soll den Schülern zeigen, dass ihre Lehrer nicht nur unterrichten, sondern auch andere Interessen haben. Und es soll die Schüler auf spannende Literatur aufmerksam machen, erklärt Deutschlehrer Jens Knitel. Die Lehrer lesen Heinrich Bölls „Ende der Dienstfahrt“, Ernest Hemingways „Alter Mann an der Brücke“. Und die Schüler hören zu, fast freiwillig. Sie hätten die weniger attraktive Alternative: Unterricht gehabt. Doch die meisten entschieden sich für die Aula. Erst als der reguläre Unterricht vorbei ist und sie nach Hause gehen können, werden aus den 200 Schülern schnell 40.

Das muss nicht an literarischem Desinteresse liegen. Vielleicht sind sie zum Ende hin nur erschöpft vom Zuhören. Es könnte aber auch sein, dass die späteren Geschichten in zu fernen Welten spielen. Bei Moritz Rinkes „Komm her Südwind“ haben sie wenigstens noch viel zu gucken, die Vortragende illustriert ihre Lesung mit Puppen und einem Eierbecher. Sie funktioniert ihre Hand in ein Mobiltelefon um. Die spitzen Anspielungen auf die elitären Bayreuther Festspiele aber dürften an den meisten vorbei gegangen sein.

Man überlege, ob man zwischen den Beiträgen Fragepausen einführt, sagt Deutschlehrer Knitel. Und ja, man werde darüber nachdenken, ob nicht besser Schüler anstatt Lehrer auf das Podium steigen sollten. An Vortragsstoff würde es ihnen sicher nicht mangeln: Jugendliche lesen heute genauso viel oder wenig wie früher, hat Knitel festgestellt. Nur vielleicht andere Bücher.

Philipp aus der elften Klasse sitzt gemütlich in der ersten Reihe in dem einzigen Kissensessel weit und breit und knabbert an einem Schokoriegel. Er fühlt sich wohl, man sieht es. Die NS-Geschichte fand er besonders spannend, sagt er. Vielleicht steht er beim nächsten Mal selbst auf der Bühne. Marion Hartig

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