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Endspurt. Der Irrsinn einer normalen Familie wird in der letzten Schauspielpremiere dieser Spielzeit beleuchtet: in Tracy Letts „Eine Familie“, die am 30. Juni Premiere hat. In der Hauptrolle agiert Tina Engel als Gast.

© HOT/HL Böhme

Kultur: Wieder leichter Aufwind

Das Hans Otto Theater setzt in der kommenden Spielzeit auf die Region und einen Mix von Tragödie, Komödie und Musical

Stand:

Das Hans Otto Theater gibt sich in der kommenden Spielzeit sehr heimatverbunden. Drei namhafte Gäste aus Potsdam bestimmen das Bühnengeschehen mit: Die Schauspielerin Jutta Hoffmann inszeniert in ihrem Potsdamer Regiedebüt im Schlosstheater die Liebes- und Verwechslungskomödie „Das Spiel von Liebe und Zufall“ von Marivaux. Der gerade mit einem Hauptpreis aus Cannes zurückgekehrte Andreas Dresen führt am gleichen Ort Regie zur „Potsdamer Winteroper“ „Le nozze de Figaro“ von Mozart. Christa Koziks Buch „Moritz in der Litfaßsäule“ über einen Jungen, der zu langsam ist für diese Welt, erobert nach seiner erfolgreichen Defa-Verfilmung durch Rolf Losansky nun fast 30 Jahre später auch das Theater: in Szene gesetzt von der Theaterpädagogin Kerstin Kusch.

Auch thematisch setzt das HOT auf regionale Verstrickung: Eine der schönsten und geheimnisvollsten Fontane-Novellen, „Schach von Wuthenow“, wird erstmals für die Bühne bearbeitet. Sie eröffnet als Uraufführung in der Regie von Intendant Tobias Wellemeyer am 9. September den Reigen von insgesamt 21 Neuproduktionen, darunter sechs Kinder- und Jugendtheaterproduktionen mit dem Grimmschen „Rumpelstilzchen“ als diesjähriges Weihnachtsmärchen.

Auch die beiden weiteren Uraufführungen der Saison liegen in den Regie-Händen Wellemeyers. Mit „Ich, Friedrich der Große“ wird des 300. Geburtstages des Königs gedacht, in einem Auftragsstück des HOT über Leben und Nachwirken des Monarchen, notiert von Uwe Wilhelm, der durch seine Drehbücher für Film und Fernsehen (Winzerkrieg, Eine Schwarzwaldliebe, Bandits) bekannt wurde.

Die dritte Uraufführung geht zurück in die Zeit nach Stalins Tod und verhandelt ungetilgte Schuld: aufgeschrieben von Nobelpreisträger Alexander Solschenizyn in dem Roman „Krebsstation“.

Tobias Wellemeyer setzt in der neuen Spielzeit auf einen Mix aus tragischen und komödiantischen Stoffen und gibt auch dem Musical erneut Raum. Nach der erfrischend komischen und temperamentvollen „My Fair Lady“ kann das musikalisch bestens aufgelegte Schauspielteam nunmehr in der Gesellschaftssatire „High Society“ auftrumpfen, die vor allem in ihrer Verfilmung mit Bing Crosby und Grace Kelly Ruhm einfuhr.

Neben „My Fair Lady“ sind es „Adams Äpfel“, „Hexenjagd“ und allen voran „Der Turm“, die das Publikum derzeit anlocken und das Theater aus seiner Talfahrt herausholen. Unterstützt durch zusätzliche 200 000 Euro, die die Stadt Ende 2010 bereitstellte, um die angeschlagene Spielstätte vor einem Finanzkollaps zu bewahren . Jetzt geht es offensichtlich wieder aufwärts, wie der Geschäftsführer Volkmar Raback verkündete. Im Vergleich zu 2010 gab es in den Monaten Januar bis April einen Anstieg um 6700 Zuschauern und eine 14-prozentig höhere Auslastung. Doch damit kann sich das Theater noch längst nicht zufrieden geben. „Wir hatten mal Eigeneinnahmen von 14 bis 16 Prozent, 2010 waren es gerade mal zehn Prozent.“ Für das laufende Geschäftsjahr heißt die Rabacksche Messlatte: zwölf Prozent. „Der Alltag hatte uns sehr erwischt, vor allem die Vollzahler, also die Besucher ohne ein Abonnement, liefen uns weg. Jetzt sind wir wieder in gutem Fahrwasser“, betonte der Geschäftsführer.

Auch der Intendant gab sich zufrieden. „Ich glaube, dass das Ensemble angekommen ist, und die Zuschauer ihr neues Ensemble mögen und tragen.“ Aus diesem verabschiedet sich einer der führenden Protagonisten, der gerade im „Turm“ mit einem aufsehenerregend intensiven und facettenreichen Spiel von sich Reden machte: Holger Bülow. Er wechselt an das Schauspiel Köln, wird aber weiterhin in „Volpone“ und im „Turm“ zu sehen sein. Simon Brusis und Markus Kaloff arbeiten künftig frei, bleiben aber als Gäste dem Hause erhalten.

Bevor die Spielzeit zu Ende geht, darf man sich am 30. Juni noch auf die Schauspiel-Premiere „Eine Familie“ von Tracy Letts freuen, die über den komischen Irrsinn in einer ganz normalen Familie erzählt, mit Mutter Violet als tablettensüchtigem Wrack von hart zuschlagendem Witz. In dieser Rolle agiert die freischaffende Berliner Schauspielerin Tina Engel. Wellemeyer, der zuallererst auf sein eigenes Ensemble setzt und weniger auf Gäste, hätte vielleicht auch Rita Feldmeier diese Rolle übertragen, aber die kehrt erst im Herbst ins Ensemble zurück, nach einer Auszeit für eigene Projekte.

Das Ensemble verabschiedet sich endgültig in die Spielzeitpause nach der „Stadt für eine Nacht“ am 9./10. Juli, dem großen Schiffbauergasse-Fest mit allen Kulturanliegern an Bord.

Auf eine Sommerbespielung des Hans Otto Theaters müssen die Potsdamer noch ein weiteres Jahr warten. Doch die „Oxymoron Dance-Company“ des Waschhauses sorgt mit „Romeo meets Julia“ von Shakespeare für einen Mini-Opener auf der Seebühne: mit fünf Tänzern, zwei Schauspielern und einer Band. Premiere ist am 25. Juli und geplant sind fünf Vorstellungen.

Das Theater setzt im Sommer 2012 mit Moliére und der beschwingten Komödie „Die Schule der Ehemänner“ nach: zugleich eine Wiederbegegnung mit Regisseur Philippe Besson, dem einstigen Leiter des Kinder- und Jugendtheaters in Potsdam und ausgewiesenen Moliére-Liebhaber. „Wir hoffen, dass wir ab 2012 dann jeden Sommer spielen können. Doch dazu brauchen wir die Unterstützung von der Stadtverwaltung. Ich glaube, dass wir sie bekommen“, zeigte sich Tobias Wellemeyer optimistisch.

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