Kultur: Wiederholung des niemals Gleichen
Werke von Rainer Fürstenberg und Astrid Germo in der Potsdamer SperlGalerie
Stand:
Werke von Rainer Fürstenberg und Astrid Germo in der Potsdamer SperlGalerie Von Götz J. Pfeiffer Was erwartet man von lebenden Künstlern? Stets neue Werke. Der Galerist etwas auszustellen. Besucher werden gelockt. Die Künstler hören Meinungen über ihre Arbeiten. Im Prinzip ist jede Ausstellung die Wiederkehr des immer Gleichen. Und doch ist es immer etwas anders. Nahe liegend, dass die aktuelle Ausstellung von Metallskulpturen Rainer Fürstenbergs und Hinterglasmalerei Astrid Germos „Und immer wieder ...“ heißt. Bis zum 2. November werden jeweils rund 20 ihrer Arbeiten in der Sperlgalerie gezeigt. So seltsam es klingt, harmonieren die Werke von beiden mehr als nur ästhetisch gut miteinander. Denn ihrer Arbeit ist eine zurückhaltende, stille Grundhaltung eigen. Beide, seit Jahren in Potsdam ansässig und gut bekannt, stimmen den Betrachter nachdenklich, fangen die Aufmerksamkeit nach einem erstem Blick zuweilen mit einem kleinen Wortspiel. So Fürstenbergs „vier Weise und ein Morgenland“, eine Assemblage aus Fundstücken, die scheinbar Bekanntes wiederholt - aber eben nur scheinbar. Bald überlegt der Betrachter, auf welchen Pfad er gelockt werden soll. Nicht anders bei Germo, die eines ihrer ansprechenden Frauenporträts „Spatz in der Hand“ unterschrieb. Das meint nicht nur das Vögelchen in den schützenden Händen. Mit dem Sprichwort führt man den Titel weiter. Unter den Arbeiten Germos sind die Porträts, meist von Frauen, am stärksten vertreten. Es mag auch an der Maltechnik hinter der Plexiglas liegen, dass die Frauen dem Betrachter fern bleiben. Deutlich ist der einfache Bildraum definiert, nur wenige Schmuckmotive finden sich. Man sucht in den Augen der Dargestellten zu lesen und kann ihre Blicke weder fassen noch ihnen nur begegnen. Aus dem Bild gehen die Blicke durch den Betrachter hindurch, an ihm vorbei in unbestimmte Fernen. Und doch ist er gefangen, schaut immer wieder hin. Lässt sich das Geheimnis dieser Frauen nicht enträtseln? Wo ist der Grund ihrer Traurigkeit, der Grund-Akkord in Moll durch alle Bilder klingt? Nicht nur dass Germo die besondere Art der Malerei von kunsthandwerklicher Anmutung frei hält, kommen ihre Bilder auch ohne jedes Pathos aus, bedient sie sich trotz mancher Anklänge an die alten Meister keiner epigonal-leeren Formeln. Ihre Porträts sind kenntnisreiche Studien von menschlichem Leben und Leiden. Die „Tagträumerin“, die „Frau mit Orange“ und alle anderen sind immer Individuen. Aber nie ist eine reale Person porträtiert. Stets mehrere Charaktere flossen der Malerin zusammen. Sie als Einzige ist in „Selbst mit der Tulpe“ auf einem Stuhl zu erkennen, nachdenklich mit der Blume in gesenkter Hand. Nach kurzem Hinweis identifiziert man sie auch auf den namensgleichen Bildern „white wine with the fish“. Es sind erste Arbeiten eines malerischen Tagebuchs. Wie der Klassiker „Dinner for one“, in dem Weißwein zum Fisch getrunken wird, jedes Jahr an Silvester über die Bildschirme flimmert, beschließt Germo seit 2002 ihr Jahr mit einer Selbststudie. Ein Vergleich der beiden ersten Jahres-Bilder zeigt eine Entwicklung zu weicheren Formen igkeit. Diese findet sich verglichen mit früheren Bildern auch in Blumenstillleben wie „und welken schon“ und „dunkle Rosen“, die trotz leuchtender Farbe eine melancholische Stimmung verbreiten. Optimistischer als die Figurenstudie wirken sie wie blühende Zeugnisse unvermeidbarer Vergänglichkeit. Zu ganz anderen Gedanken regt Fürstenberg an. Aus der Werkgruppe seiner „Gefährten“ hockt die „Friedenstaube“ unsicher auf ihrem Sockel. Ebenso bemerkenswert wie anspielungsreich, dass als Material „Potsdamer Stadtschlosssandstein“ angegeben wird. Soll man in Fürstenbergscher Manier ein Goethe-Wort umdichten und feststellen „Über allen Schlössern sei Ruh“? Wie stets sind seine Arbeiten anspielungsreich, setzen im Betrachter Assoziationen frei. So auch die kleine Bronzeplastik „Europa und der Stier“, wo die wohl geformte Dame auf hohen Beinen sich von der antiken Gottfiguration auf eben solchen Stelzen abwendet. Oder auch „Trojanisches Pferd“, in dessen Innerem ein rote Leuchtdiode herzgleich schlägt. Neben solcherlei spielerischen Arbeiten wirken die hochbeinigen Edelstahl-Figuren „Stolzer“, „Beobachtender“ und „Suchender“ als ironisch-moralisierende Charakteren. Erhebt sich nicht jeder von ihnen über die Welt? Steht nicht jeder stolz über den Dingen? Das verschmitzte Augenzwinkern, das er hinter runden Brillengläser gerne sehen lässt, spricht auch aus diesen Figuren. Und was soll man nur von der Stahl-Messing-Plastik „Entwicklungshilfe“ halten? Eine große Stele in der Mitte, die als Figur gelesen werden kann, wird von kleineren Formen umstanden. Ob die Kleinerem dem Großen nacheifern? Und was sind die seltsamen, vogelgleichen Gebilde über dem Hut des Großen? Wie Germo versteht es Fürstenberg den Betrachter vor fast jeder Arbeit zum genießenden, aber auch nachdenklichen Betrachten festzuhalten. Beide zeigen die ansprechende Wiederholung des niemals langweilig Gleichen. „Und immer wieder ...“ bis 2. November in der Sperlgalerie, Mittelstrasse 30, Mi-So 12-18 Uhr. www.sperlgalerie.com. Katalog von Astrid Germo 7 Euro.
Götz J. Pfeiffer
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: