Da wurde die Erlöserkirche am Mittwoch von einem mächtigen Brausen erfüllt. Der Görlitzer Kirchenmusiker Reinhard Seeliger und die Schuke-Orgel waren die Verursacher des Klangsturms innerhalb des Internationalen Orgelsommers. Sie entließen die Zuhörer mit der Fantasie über den Choral „Halleluja! Gott zu loben bleibe meine Seelenfreud“ von 1798, die der Spätromantiker Max Reger komponierte. Auch sie lehnt sich an die barocke Form der Choralpartita an. Der Kantor der Peterskirche in Görlitz registrierte abwechslungsreich und der Architektonik des Werkes angemessen. Seine leidenschaftlichen, nie überzogenen Tempi sowie die ihm eigene subtile Artikulationsgabe bedeuteten einen logisch-einfühlsamen Mitvollzug des roten Fadens. Das neobarocke Instrument der Erlöserkirche war bei dem Reger-Stück klanglich besonders gefordert. Eine strahlende Opulenz, bei der die inhaltliche Freude nicht verloren geht.
Aber schon bei den Werken zuvor bildeten Seeliger und die Schuke-Orgel aus dem Jahre 1964 ein gutes Team. Vielleicht wirkte das Eingangsstück des Bach-Schülers Johann Gottfried Walthers Vivaldi-Bearbeitung des Concerto h-Moll in der Interpretation des Görlitzer Gastes noch ein wenig behäbig. Da konnte man sich noch allzu sehr zurücklehnen. Das sollte sich aber bei den Bach-Werken ändern. Kraftvolle Intensität, logische Gliederungs- und Phrasierungskünste prägten das motorische Präludium und Fuge in D BWV 532, danach ergänzt durch die liebevoll-bildhaft musizierte, dezent registrierte Triosonate Nr. 1 in Es-Dur BWV 525. Die Romantik kam mit Felix Mendelssohn Bartholdys 4. Sonate in B-Dur zu Wort. Reinhard Seeliger spielte das Werk machtvoll und zugleich mild. Auf virtuoses Auftrumpfen verzichtete er. Dadurch strahlte es eine Atmosphäre von fromm-froher Eleganz aus. Bevor das Finale mit dem Reger-Opus erklang, hörte man das Andante für eine Walze in einer kleinen Orgel, ganz locker und fast klavieristisch wie mit Blockflöten als Solisten gespielt.
Der Applaus des sehr gut besuchten Konzerts war lang anhaltend. Die Dankbarkeit der Zuhörer konnte man wohl auch so deuten: Wiederhören macht Freude. Doch vorerst bedankte sich Seeliger mit einer Zugabe, mit einer Händel-Bearbeitung des „Einzugs der Königin von Saba“ aus dem Oratorium „Salomo“. Klaus Büstrin
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