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Andere würden den Kopf hängen lassen, Wanda lässt sich fallen und geht ganz auf in seiner leidenschaftlichen Theatralik.

© dpa

Wanda im Waschhaus Potsdam: Wien liebt euch, hasst euch

Die österreichische Band Wanda gab ein schmerzhaft-schönes Konzert in der ausverkauften Waschhaus-Arena in Potsdam. Ein lang ersehnter, aber kurzer Auftritt.

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Potsdam - Es ist auf jeden Fall ein Hype, der um die österreichische Band Wanda gemacht wird: Kaum eine Band bekommt so viel Vorschusslorbeeren, so viel Lob, Resonanz: Gerade eben wurde das Debütalbum „Amore“ der Wiener Kapelle beim eher kleinen Musiklabel „Problembär Records“ veröffentlicht, schon überschlagen sich Fans und der Feuilleton, als hätten alle nur die vergangenen Dekaden auf so etwas gewartet, als gäbe es gar ein musikalisches Vakuum zu füllen.

Austropop ist wieder da, und gerade der Wiener Akzent passt so herrlich zu diesen zynischen Texten über das Scheitern in der Liebe. Und auf einmal war Wanda eben da, deren Hit „Bologna“ im Radio so lange rauf und runter dudelte, bis ihn jeder mitsingen konnte.

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Am Samstagabend spielte Wanda in der seit Wochen ausverkauften Waschhaus-Arena, ein ebenso ersehntes wie notwendiges Konzert scheinbar, der Höhepunkt des Sommers für manch einen. Dabei hat die Band gar nicht so viel im Gepäck, wie das eher kurze und präzise Konzert bewies: So schnell, wie die Band kam, ging sie auch wieder – selten sind Konzerte so kurz, aber auch irgendwie schmerzhaft. Ein wenig mehr Zeit mit der Band hätte man sich da schon gewünscht.

Bei Wanda wird noch aufrichtig gelitten

Denn das, was bei Wanda „Amore“ heißt, ist nichts weniger als die blanke Leidenschaft, die aus jeder Zeile tropft: Hier wird noch aufrichtig gelitten. Und zu nichts anderem ist die Liebe prädestiniert. Schön dabei ist jedoch, dass der Band jedwede Plakativität fremd ist: Wenn schon gelitten werden soll, dann richtig. „Auseinandergehen ist schwer“ heißt einer der Songs, oder „Stehengelassene Weinflaschen“ – da weiß man schon, was einen erwartet: Liebe ist abgründig. Und Wien liebt genauso wie es hasst: randvoll mit Leidenschaft.

„Wenn du mich liebst, dann gib mir Schnaps“ – so lakonisch sieht die Welt des Sängers Marco Michael Wanda, ein Künstlername freilich, aus. Und weil Alkohol genauso zum Rock ’n’ Roll wie zur Liebe gehört, darf Wanda einen Song eben auch „Ich will Schnaps“ nennen, als ob es zur Liebe nichts anderes zu sagen gäbe. Und den Schnaps als Dämpfer der Leidenschaft holt sich der Sänger gleich selbst an der Bar – das bedeutet einmal quer durch die ganze Arena, auf den Händen der Fans, die die dandyhafte Frontfigur über ihren Köpfen schweben lassen.

Das Leid wird zelebriert

An der Bar kippt er sich ganz selbstverständlich den Schnaps, den Multiplikator des Leidens, hinunter und schwebt zur Bühne zurück. Das ist Rock ’n’ Roll, und wenn schon nicht jung gestorben wird, dann wird es wenigstens riskiert. Weil das Leid eben zelebriert werden muss.

Dabei kann man gar nicht behaupten, dass Wanda das musikalische Rad neu erfinden – die Musik ist eher ein Rückgriff in das Psychedelische der 70er-Jahre, fast schon überholt wirkt dieses Obsolete, das dennoch so gut zu diesem trivialen Schmerz passt. Die Band tritt dabei in den Hintergrund, verschwindet fast bei dieser aufdringlichen Präsenz des Sängers, der mit seinen Ende 20 bereits anständig verbraucht aussieht.

Sänger Wanda schwitzt, raucht, singt

Marco Michael Wanda schwitzt, raucht, säuft und singt sich durch das Programm, als wäre er jederzeit bereit, für die Liebe zu sterben. Und er setzt sich in Szene, in blaues Licht getaucht, was beinahe schmerzhaft in den Augen war: Sein Look ist schäbig, die alte Lederjacke passt perfekt zum Outfit, ein Hemd trägt Wanda nur am Anfang des Sets, dann klebt die ranzige Pellerine auf seinem nackten Oberkörper – man kann ihn förmlich riechen, ein Geruch der Bohème, der durch ganz Wien zu wabern scheint.

Da steht er noch auf der Bühne, klammert sich mit beiden Händen am Mikrofon fest, als würde der Strudel seiner alkoholgetränkten Lyrik ihn nach unten ziehen, und plärrt in seinem Wiener Schmäh die ganze Abrechnung mit der hinterhältigen, gemeinen Liebe hinaus, weil das Schmerzhafte nur mit Musik gesagt werden kann. Exzentrik, Baby: Andere würden den Kopf hängen lassen, Wanda lässt sich fallen und geht ganz auf in dieser leidenschaftlichen Theatralik.

Nach einer Stunde schon vorbei

Aber er hat lieber das Publikum in der Hand, das lauthals den Refrain von „1, 2, 3, 4 – Es is so schön bei dir“ mitsingt und nach jedem Song nach einer Zugabe verlangt, weil es weiß, dass dieses Konzert so schnell vorbei sein wird – und das ist es auch: Nach etwas über einer Stunde ist es vorbei, mehr als zwölf Songs sind bei einer so jungen Band einfach nicht drin, und eine Zugabe gibt es auch nicht – viel zu ausgepowert ist die Truppe. Ganz bestimmt benötigt Sänger Wanda noch eine weitere Stunde, die er japsend auf dem Boden des Backstageraums verbringen wird, auf dem Rücken liegend, in der linken Hand ein Schnapsglas und in der rechten eine Kippe.

Bei so viel Amore ist es natürlich kein Wunder, wenn an diesem Sommerabend inniger geliebt wird als sonst. Da mag das Konzert auch noch so kurz gewesen sein, hängen bleiben wird es auf jeden Fall. Und ein bisschen Vorfreude darf auch schon aufkommen: Im Oktober dieses Jahres kommt das neue Album der Wiener Band mit dem zynisch-präzisen Namen „Bussi“. Und ganz gewiss auch eine neue Tour.

Oliver Dietrich

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