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Spielt Bach und Schostakowitsch. Gastpianist Hagen Schwarzkopf.

© promo

Kultur: „Wild und brutal zu spielen“

Zur Klassiknacht am Weberplatz gibt es Klavierkonzerte satt – von Bach bis zum Brasilianer Mignone

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Das jährliche Klassik-Open-Air am Weberplatz vom Sinfonieorchester Collegium Musicum steht immer unter einem Motto. Es gab brasilianische Musik, Musik aus Science-Fiction-Filmen, Saxophon- und Gitarrenkonzerte. In diesem Jahr steht wieder ein Soloinstrument im Mittelpunkt: das Klavier. Geht das überhaupt, ein Konzertflügel Open Air? „Das geht ganz wunderbar“, sagt Knut Andreas, Dirigent und künstlerischer Leiter des Sinfonieorchesters. Die siebte Auflage von Klassik am Weberplatz wird ein Abend mit Klaviermusik aus drei Jahrhunderten, mit vier Konzerten, die unterschiedlicher nicht sein könnten.

Das Programm am morgigen Samstagabend beginnt mit dem „Klavierkonzert d-Moll“ von Johann Sebastian Bach, dem Erfinder des Klavierkonzerts, das damals freilich in der Regel für Cembalo geschrieben wurde. Felix Mendelssohn-Bartholdys „Rondo brillant“ ist ein romantisches Stück, entstanden etwa 100 Jahre nach Bach. 1957 schrieb Dmitri Schostakowitsch sein „Klavierkonzert 2 F-Dur“. Das Stück war ein Geschenk für seinen Sohn Maxim, der es auch als Solist aufführte. Schostakowitsch selbst habe gar nicht viel von seinem eigenen Werk gehalten, darin keine erhaltenswerten künstlerischen Leistungen gesehen, sagt Knut Andreas. Dennoch avancierte es aufgrund seiner Leichtigkeit und Frische zu einem beliebten Werk des russischen Komponisten.

Ein Klavierkonzert des brasilianischen Komponisten Francisco Mignone, der von 1897 bis 1986 lebte, spannt den zeitlichen Bogen bis in die Gegenwart. Dessen „Brasilianische Fantasie für Klavier und Orchester“ wird vom Collegium Musicum erstmals in Deutschland aufgeführt. „Das ist Musik mit einer ganz eigenen, aufregenden Tonsprache, mit sehr rhythmischen oder wunderbar melodischen bis schrägen Passagen“, sagt Knut Andreas. „Wild und brutal zu spielen“, habe der Komponist an manchen Stellen selbst in die Noten geschrieben.

Die Begeisterung für Brasilien, mit der Andreas bereits Musiker wie die Sängerin Eliana Printes nach Potsdam holte, setzt sich auch in diesem Jahr fort. Solisten des Abends sind der Magdeburger Pianist Hagen Schwarzrock – und Vagner Ferreira aus São Paulo, Brasilien. Knut Andreas dirigiert Schostakowitsch und Mignone. Die Konzerte von Bach und Mendelssohn leitet Cinthia Alireti aus Brasilien, die den Potsdamern vom letzten Sommerkonzert noch gut in Erinnerung sein dürfte.

Die Open-Air-Konzerte auf dem nächtlichen Weberplatz ziehen von Anfang an bis zu 2000 Gäste an. Das passt zum Konzept des dienstältesten freien Orchesterensembles Potsdams. „Wir spielen dort, wo die Menschen sind“, sagt Knut Andreas. Gut 60 Musiker aller Altersgruppen, die ohne Gage auf hohem Niveau spielen, gehören zum Orchester, das zumeist zu kleinen Eintrittspreisen oder – wie beim Open Air auf dem Weberplatz – bei freiem Eintritt musiziert.

Erstmals unterstützt die Stadt das Projekt, das in der Vergangenheit häufig aufgrund ungenügender finanzieller Mittel zu scheitern drohte, in diesem Jahr auskömmlich. Der Eigenanteil muss jedoch durch Spenden erwirtschaftet werden, betont der Orchesterchef. Zudem werde nach wie vor für die Anschaffung eines eigenen Orchesterflügels gespart. Für den Klavierabend auf dem Weberplatz muss ein Leihinstrument, ein Bechsteinflügel, besorgt werden. Der vorhandene Flügel im Betlehemssaal, dem Probendomizil des Orchesters, ist mehr als 100 Jahre alt. „Irgendwann ist so ein altes Instrument nicht mehr reparabel oder die Reparatur wird unverhältnismäßig teuer“, sagt Andreas. Ein neuer oder guter gebrauchter Flügel kostet 15 000 bis 20 000 Euro, etwa ein Drittel der Summe ist bereits aus Spenden zusammen gekommen.

Samstagabend sollen Geldsorgen keine Rolle spielen. Der Abend rund um die romantisch angestrahlte Friedrichskirche soll ein Konzerterlebnis für die ganze Familie, für Anwohner und Spaziergänger sein. Bänke sind aufgestellt, eigene Stühle oder Decken dürfen mitgebracht werden. Das Orchester hofft auf trockenes Wetter – bei Regen muss in die Kirche umgezogen werden. Wer dort keinen Platz mehr bekommt, sich vom Regen aber nicht vertreiben lässt, kann per Leinwandübertragung das Konzert mitverfolgen. Steffi Pyanoe

Klaviernacht am morgigen Samstag um 20.30 Uhr auf dem Weberplatz. Der Eintritt ist frei.

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