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Kultur: Wildwuchs mit Potenzial

Junge Texte am Hans Otto Theater

Stand:

Vielleicht hat Konstantin Küspert mit einem Satz aus seinem Stück „mensch maschine“ ganz unbewusst den Grundtenor beschrieben, der dem erfolgreichen ersten Festivalprojekt „Wildwuchs“ vom Hans Otto Theater (HOT) und der Berliner Universität der Künste (UdK) am Samstagabend in der Reithalle zugrunde lag. „Sie haben Potenzial. Wir lassen Ihnen das durchgehen, weil Sie Pozential haben.“ So sagt es der namenlose Auftraggeber in „mensch maschine“ – inszeniert von Tobias Wellemeyer mit Schauspielern des HOT, unter ihnen der herausragende Dennis Herrmann – zu einer Gruppe von Wissenschaftlern, die zuvor einen Menschen entführt hatten, um an dessen Hirn zu laborieren. Ihr Ziel: die biologische Unsterblichkeit.

Konstantin Küspert, Urheber des Stückes und einer der vier geladenen jungen hoffnungsvollen und an neuen Stücken für das aktuelle zeitgenössische Theater laborierenden Nachwuchsautoren der UdK, bereicherte „Wildwuchs. Junge Texte fürs Theater“, so der Name des Festivals, mit einem Wissenschaftsthriller. Sein Science-Fiction-Comic war so rasant wie klug. Es reihte sich an diesem Abend in eine Auswahl von Stücken ein, die bewiesen, dass das junge zeitgenössische Theater kein Interesse an leichter Unterhaltung hat, sondern sich mit Haltung und Aussagekraft positionieren möchte.

Und sich vor allem nicht gleichschalten lässt. Nachdem das Publikum auf der Probebühne der Reithalle eine kurze Werkschau der ersten drei ausgewählten Stücke gesehen hatte, gab es im angrenzenden „nachtboulevard“ ein Podiumsgespräch mit dem Autor und Professor für szenisches Schreiben John von Düffel und den vier jungen Textern. Das wurde vom Publikum nicht nur hervorragend angenommen, sondern stellte auch die Unterschiedlichkeiten der jungen Nachwuchsautoren heraus.

Während die 1993 geborene Fanny Sorgo – ihr Familienepos „Der Himmelblaue Herr“ war zuvor in Auszügen zu sehen und ist mit dem Retzhofer Dramatikerpreis 2013 nominiert – eher drauflos schreibt und dabei einen poetischen, fast märchenhaften Ansatz hat, bleiben ihre männlichen Kollegen Thomas Köck („Der Selbstmord des Mr.Scarlett Johansson“) und Michel Decar („Jenny Jannowitz“) eher philosophisch und beleuchten die Kosmen menschlichen Miteinanders. Sie ufern nicht aus, sondern arbeiten mit Spots, so Thomas Köck, oder mit Wiederholung und Auflösung, so Michel Decar, der mit seinem Stück „Jonas Jagow“ im März im Berliner Maxim Gorki Theater einer Uraufführung entgegensehen darf.

Inszeniert wurden die Werkauszüge für den Abend im Potsdamer Hans Otto Theater von den professionellen Regisseuren Fabian Gerhardt, Jessica Steinke und Tobias Wellemeyer,die das eher ambitionierte und nur mit wenig Mitteln auf die Beine gestellte Festivalprojekt mit ihrer Arbeit unterstützten und auch den jungen Schauspielstudenten der UdK eine Bühne boten.

Abgerundet wurde die Veranstaltung mit dem allseits beliebten Programm der „PotShow“, einem seit Jahren etablierten Potsdamer Poetry Slam, der dafür sorgte, dass das vorwiegend aus Berlinern bestehende Publikum sich noch einmal neu durchmischte und eigentlich die besten Voraussetzungen für die anschließende Party mit DJ bot. Eigentlich. Denn irgendwie löste die sich sonst sehr angenehm von Bewegung und Durchmischung geprägte Veranstaltung um Mitternacht auf und so blieben die Schauspieler des Hauses, die sich ebenfalls unter die Gäste gemischt hatten, am Ende doch wieder unter sich. Andrea Schneider

Andrea Schneider

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