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Stoischer Wüstensohn: Joe Pena (v.) mit Bandkollegen.

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Kultur: Willkommen im Wüstensand

Greyhound Soul morgen im Waschhaus zu erleben

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Das schleppt sich. Im Schlurfschrittrhythmus über einen Grummelbeat, während der Slide der Lap-Steel-Gitarre von heiler Welt maunzt und die E-Gitarren stoisch Akkorde spucken. Wo die Hitze haust, ist Hektik nicht angebracht. Davon weiß Joe Pena manches Lied zu singen. Zuhause in Tucson im US-amerikanischen Bundesstaat Arizona, unweit der Grenze zu Mexiko, hat er Wüstenatmosphäre vor der Haustür. Und wenn Pena seine Stimme hören lässt, um lustvoll Klagelieder anzustimmen, kräuselt sich beim Zuhörer nicht selten das Nackenhaar. Pena, Sänger und Chef der Band Greyhound Soul, klingt mit seinem Graupelputzorgan wie einer dieser filmischen Endzeitprediger, die mit wirrem Haar und irrem Blick lautmalerisch von der Apokalypse toben. Morgen sind Pena und Kollegen in Potsdam, um im Waschhaus ihren wüstenstaubtrockenen Gottesdienst zu zelebrieren.

Seit 14 Jahren gibt sich Joe Pena wie ein meditierender Mönch im stromschnellen Zeitgeist der Musik. Diesen Sänger, Gitarristen und Songwriter muss man sich wie die mediale Inszenierung von Überproduzent Rick Rubin vorstellen, der sich mit Vorliebe in Buddha-Pose ablichten lässt. Unbeirrbar und geradlinig gibt sich Pena in seiner Musik, die angesagtesten Geschmacksverirrungen der Szene prallen an ihm ab wie Regentropfen an einem Granitfelsen. Wenn er dann mal die Augen öffnet und aus seiner Versenkung auftaucht, bleibt sein Blick auf die Wüste gerichtet. Zwar wird er in diesem Backofenflimmern kaum die Antworten auf die entscheidenden Fragen des Lebens finden, aber knochentrockene und knochenbleiche Liedchen lassen sich wunderbar aus dieser Öde destillieren. Treffend hat es Penas Nachbar und Kollege, Howe Gelb, ausgedrückt, als er über seine Musik sagte: „The sound of the desert is at the center of Greyhound Soul“.

Vier Alben haben Greyhound Soul in den vergangenen Jahren auf den Markt gebracht und sich so eine überschaubare, aber umso treuere Fangemeinde erspielt. Das aktuelle Album trägt den Titel „Tonight and every night“. Phlegmatischer, aufs Wesentliche reduzierter Wüstenrock, der sengenden Sonne angemessen, den Pena mit seiner an Tom Waits erinnernden Stimme so lange schmirgelt, bis die Melodien wie feiner Wüstensand bis in die kleinsten Poren dringen. Gelegentlich lassen Penas Mannen auch die Pferde durchgehen. Dann rumpelt und poltert ihre Musik wie ein überfüllter und jeden Moment in seine Einzelteile zerspringende Marketenderwagen durch die gebleichte Felsenlandschaft.

Wer sich Greyhound Soul aussetzt, begibt sich auf eine Zeitreise in eine Vergangenheit, in der das Land und die Möglichkeiten noch grenzenlos schienen und brachiale Gewalt hinter jedem Kaktusstrunk lauern konnte. Archaisch aber nicht verklärend, gelegentlich im scheinheiligen Gewand von Country- und Folksongs gekleidet, geht es hier um die Vermessenheit bei der Suche nach dem noch so kleinen Glück. Die Sepiagrundierung in der Musik von Greyhound Soul erinnert an die beiden Outlaws von Two Gallants. Doch während die oft lärmend einen vergangenen amerikanischen Westen heraufbeschwören und gnadenlos die Leichen aus dem Keller dieser Geschichte prügeln, bleiben Pena und Kollegen gelassen. Wer lässig poltert und sich unaufgeregt gibt, schleicht sich fast unbemerkt in das Herz des Hörers. Haben es Greyhound Soul bis dahin geschafft, ist es längst zu spät. Dann heißt es nur noch: Willkommen in Joe Penas Welt. Dirk Becker

Greyhound Soul spielen morgen, ab 21 Uhr, im Waschhaus, Schiffbauergasse. Der Eintritt kostet im Vorverkauf 11 Euro, an der Abendkasse 14 Euro.

Dirk Becker

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