Kultur: Willy Brandt – ein Leben in Stationen
Ausstellung der Friedrich-Ebert-Stiftung im Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte
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1913, als Willy Brandt geboren wurde, starb August Bebel, der Mitbegründer der SPD. Gleich als erstes Foto ist Bebel auf einer Aufnahme aus dem Jahr 1903 zu sehen, und was die Friedrich-Ebert-Stiftung damit in der Ausstellung: „Willy Brandt – ein politisches Leben 1913-1992“ bezwecken möchte, ist klar: Historische Kontinuität erzeugen. Der eine tritt ab, der andere wird geboren. Die Sterne wollten es so.
Und dass Willy Brandt ein Stern am deutschen Politikerhimmel war, wird heutzutage wohl niemand mehr bestreiten. Sind doch die Bilder des Kniefalls in Warschau, des Regierenden Bürgermeisters von Berlin, der stolz mit John F. Kennedy durch die geteilte Stadt fährt und des alten Mannes beim Mauerfall tief in das kollektive Gedächtnis eingeschrieben. Fast wird der Besucher von den Stelltafeln im Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte erschlagen, so voll ist der Raum, der lediglich von zwei Litfasssäulen mit Willy-Brandt-Plakaten aufgehellt wird. Es gibt viele, viele Stationen im Leben des großen Womanizers und Politikers. Nur die kleine Hütte neben seinem modern umgebauten Geburtshaus in der Meierstraße in Lübeck gibt einen Eindruck der Verhältnisse, in die Willy Brandt als Herbert Karl Ernst Frahm 1913 geboren wurde.
Sein ursprünglicher Name wird in dem Begleittext nicht genannt, dafür gibt es aber von dem schönen jungen Mann ein Foto, das Lässigkeit und Anspruch zugleich transportiert: entspannt lehnt er im Jahr 1932 am Geländer des hinter ihm liegenden Krähenteichs, und schon ist zu erahnen, was den zahlreichen Frauen seines Lebens an ihm gefallen hat: die souveräne Geste, mit der der spätere Regierende Bürgermeister von Berlin, Außenminister, Bundeskanzler der ehemaligen BRD, Parteivorsitzender der SPD und Präsident der Sozialistischen Internationale schon damals seinen Anspruch an das Leben kundtut.
Man könnte sagen, am Krähenteich in Lübeck hat alles begonnen, wenn man in der Lage ist, aus den wild zusammengeführten Archivfotos und Briefen diejenigen zu erkennen, die wirklich einen Meilenstein seines Lebens repräsentieren. Und was war das für ein Leben! Die Zeit tat das ihre dazu, Brandt, der immer noch Frahm hieß, trat 1930 in die SPD ein, und vorher war er schon bei den sozialistischen „Falken“. 1965 besucht er seine Mutter in Lübeck, die mit ihrem späteren Mann zusammen auf der Couch ihm gegenüber sitzt. Es wirkt ein wenig wie bei einem Staatsbesuch, und da fragt man sich, wie viel Nähe in dieser Familie herrschte. Solche Eindrücke sind gut, leider zu selten in der Schau.
Die Jahre in Norwegen und Schweden, wo er Vater wurde, werden von Fotos des Naziregimes abgelöst, dazwischen folgt Spanien. Nach dem Krieg kehrt Brandt nach Deutschland zurück und entschließt sich 1948, wieder deutscher Staatsbürger zu werden. 1957 wird er Regierender Bürgermeister von Berlin und kann seinen Charme ab sofort auch auf dem großen internationalen Parkett einsetzen. So sieht man ihn 1959 in Indien mit Nehru, eine andere Aufnahme zeigt ihn 1960 fröhlich plaudernd mit Marlene Dietrich. Und natürlich gibt es auch den Triumphzug mit dem amerikanischen Präsidenten John F. Kennedy 1963, der den berühmten Satz „Ich bin ein Berliner“ sagte. Genau das ist das Manko der Ausstellung: Politiker, die großen jedenfalls, haben eine Bedeutung, die weit über die zeitgenössische und die der Person hinausgeht. Politiker wie Willy Brandt erleben fatale Niederlagen (Rücktritt 1974) und große Siege (gescheitertes Misstrauensvotum 1972), aber irgendwie wirkt in dieser Ausstellung alles gleich.
Er tat Dinge, wie am Mahnmahl des Ghettoaufstands in Warschau auf die Knie zu fallen oder sagte beim Mauerfall : „Jetzt wächst zusammen, was zusammen gehört.“ Das alles hat immer noch große Symbolkraft, die in der Ausstellung nicht zu spüren ist. Leider wird auch der immens euphorische Wahlkampf 1972 in der dunklen Ecke nur am Rande gewürdigt, so dass am Ende Leben und Wirken von Willy Brandt wie ein großes Durcheinander wirkt. Schade. Lore Bardens
Bis 21. März, täglich von 10-18 Uhr
Lore Bardens
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