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Kultur: „Wir haben nichts in der Hand“

Das Atelierhaus „Scholle 51“ steht zum Verkauf. Die Künstler haben noch keine Alternative

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Jana Wilsky, Grafikerin und Malerin, rührt in ihrem Kaffee. „Ich könnte mir nicht vorstellen, wieder allein loszuziehen“, sagt sie leise. Links von ihr auf der Couch sitzt der Musiker Matthias Opitz, zur anderen Seite Daniel Zeller, Manager des Stadtteilnetzwerks Potsdam-West. Eine kleine Krisensitzung im Künstlerhaus Scholle 51.

Wie berichtet, hat die Heilig-Kreuz-Gemeinde, Eigentümer der Immobilie, das Gebäudeensemble in der Geschwister-Scholl-Straße an den Veritas Pflegedienst verkauft. Sollten Kirchenkreis und Konsistorium zustimmen, werden sich die 20 Künstler und Musiker, die seit 2009 sich hier sukzessive eingemietet haben, eine neue Bleibe suchen müssen. Auch Daniel Zeller wird dann ein neues Büro für das Stadtteilnetzwerk brauchen.

„Vom alten wie vom neuen Eigentümer haben wir bisher kein offizielles Statement bekommen“, sagt Zeller. „Eines Tages hat der Makler vor der Tür gestanden mit der Aussage: Bis April können wir planen, darüber hinaus werde man sehen“, so Zeller. Da sie das Gebäude als Gewerberaum gemietet haben, gilt im Grunde eine monatliche Kündigungsfrist, sie haben nichts in der Hand, sagen sie, was ihnen ein längeres Bleiberecht als diese Monatsfrist garantiert. „Es könnte also auch März werden“, sagt Zeller mit einem Hauch Zynismus in der Stimme.

Bis zuletzt hatten sie auf eine einvernehmliche Lösung gehofft. Sie hätten zwar von Anfang an gewusst, dass ihnen das Haus nur zur Zwischennutzung überlassen worden war und verkauft werden sollte. Doch vor einiger Zeit hatte sich ein Waldkindergarten für das Objekt interessiert: So eine Mischnutzung als Kita und Künstlerhaus hätten sie sich gut vorstellen können, sagen sie. Schließlich war bis 2009 die Montessori-Kita hier untergebracht, im B-Plan sei eine Nutzung als Kindertagesstätte auch festgeschrieben, so Zeller. Aus dem Presseamt der Stadt heißt es dazu: „Das Grundstück ist im rechtsverbindlichen B-Plan als Gemeinbedarfsfläche mit der Zweckbestimmung einer Kindertagesstätte festgesetzt. Zeller fragt sich, ob das beim Verkauf der Immobilie überhaupt berücksichtigt wurde.

Vor allem jedoch sind die Künstler enttäuscht, dass sie mit ihren Ideen während des ganzen Prozesses nicht ernst genommen wurden. „Auch wir könnten durchaus höhere Mieten zahlen oder ein Objekt kaufen, das finanzielle Potenzial ist da, aber wir bekamen nicht einmal die Chance, der Gemeinde unser Konzept vorzustellen“, sagt Matthias Opitz.

So sei es häufig, klagt auch Daniel Zeller: Die Aktiven der Kreativwirtschaft „dürfen immer dann rein, wenn es grad passt, aber wenn der Eigentümer das Haus wirtschaftlich verwerten will, kommt es nicht einmal zum Gespräch.“

Dabei sei das einstige Tagungsgebäude der evangelischen Kirche für eine Nutzung als Wohnhaus äußerst ungeeignet, die Künstler hingegen haben hier gut reingepasst – und viel gemacht, um das Haus zumindest auf einem gewissen baulichen Standard zu halten. In den Ateliers arbeiten Maler und Grafiker, darunter Menno Veldhuis und Julia Brömsel, die Multi-Künstlerin Patricia Vester und die Restauratorin Katharina Kardorf. Hier proben Musiker, geben Unterricht. Im Keller sind Bandprobenräume, die auch von kleineren Ensembles genutzt werden, beispielsweise Matthias Opitz’ Montagsorchester, das Musiktheater Pampelmuse, das Duo Hand in Hand. Etwa 100 Schüler, „Nutzer“ sagt Zeller, kommen jede Woche in die „Scholle“. Die zentrumsnahe Lage ist ideal, für Schüler und Künstler, und hier gegenüber von Park Sanssouci wird niemand über Lärmbelästigung klagen. Über 700 Quadratmeter Nutzfläche zu ersetzen wird nicht einfach werden.

„Es muss sich erst rausstellen, was wir wollen, das ist ein Prozess“, sagt Jana Wilsky. Sie ist von Anfang an dabei, zog aus dem Gründerzentrum in der Puschkinallee in die Scholle 51. Jetzt wieder umzuziehen bedeutet wieder weniger Zeit und Kraft für künstlerisches Arbeiten.

Doch der anfänglichen Phase der Depression und Wut folge nun die aktive Suche nach einem Ausweg: „Wollen wir aufs Land, bleiben wir hier, wer zieht mit, was sind unsere Anforderungen?“

Derzeit finden die ersten internen Treffen dazu statt. Sie haben ein paar Objekte in Potsdam im Auge, so Opitz, mehr wolle er dazu nicht sagen. Natürlich wird es schwer, etwas Passendes zu finden: „Die Maler brauchen Licht, die Musiker müssen laut sein dürfen. Und wenn ich nachts von einem Auftritt komme, will ich meine Instrumente und die Technik nicht noch drei Treppen hoch schleppen müssen“, sagt er. Hier im Haus habe man sich gut arrangiert.

Dazu sei das Stadtteilnetzwerk gekommen, mit der offenen Werkstatt, Lagermöglichkeiten und dem großzügigen Außengelände, Ort für Begegnungen, auch zum Feiern. Hier fanden Sommerfeste und jährlich der Tag des offenen Ateliers statt. Es sei ein Anlaufpunkt für den gesamten Stadtteil geworden, sagt Zeller. Der Stadtteil wird auf diesen womöglich verzichten müssen – wie auch auf das kreative Potenzial der Künstler, sollte der Immobilienhandel wie geplant abgewickelt werden.

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