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Kultur: Wo der Holzwurm nagt

Brandenburgische Sommerkonzerte: Orgelreise durch die Uckermark

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Brandenburgische Sommerkonzerte: Orgelreise durch die Uckermark „Geh aus mein Herz und suche Freud“, lautet das diesjährige Motto der Brandenburgischen Sommerkonzerte, mit dem des Theologen und Dichters Paul Gerhardt gedacht werden soll. Gleichsam auf seinen Spuren wandelnd, erkunden 150 musikliebende Klassiker auf Landpartie erstmals die Orgellandschaft der Uckermark zwischen Angermünde, Ringenwalde und Templin. Ist sie terra incognita, gar ein schwarzes Loch? Die Erkundigungen darüber werden zu einem Erlebnis.    Vielgestaltig seien die orgelbaulichen Hinterlassenschaften, meint RBB-Moderator, Orgelkenner und Reiseleiter Heiko Schwichtenberg, der über Geschichte und Gegenwart des Orgelbaus sowie der Weitergabe von Erfahrungen eine Menge weiß: beispielsweise von Barockmeister Johann Wagner über seinen Schüler Peter Migendt bis hin zur Schuke-Dynastie aus Potsdam. Die informative Tagestour beginnt im orgelerbaulichen Heute.    In der Maria-Magdalenen-Kirche zu Templin hat die Firma von Matthias Schuke 1994 ein neues Werk ins alte Gehäuse (von 1767) eingebaut, auf dem man vom Barock bis zur Moderne alles gleich gut spielen kann. Selbstverständlich wurden auf die pneumatischen Spiel- und Registraturhilfen, die 1920 von der Dresdner  Firma Gebr. Jehmlich eingebaut worden waren, konsequent verzichtet. Mechanische Traktur heißt das Zauberwort, mit dem sich heutige Orgelbauer wieder der historischen Gegebenheiten erinnern.     Der Detmolder Organist Jobst-Hermann Koch führt den unverwechselbaren, brillanten und klaren Schukeklang eindrucksvoll vor. Virtuos, hell klingend rauscht Bachs d-Moll-Toccata BWV 538 klangprächtig auf. Lieblich, teilweise mit kecken Verzierungen versehen tönt Samuel Scheidts Partita „Vater unser im Himmelreich“ auf. Werke von Mozart (drei für den liturgischen Gebrauch bestimmte Kirchensonaten für Orgel) und Joseph Gabriel Rheinberger (Praeludium und Scherzoso aus der Sonate Nr. 8 e-Moll) künden von den klangstilistischen Möglichkeiten dieser Orgel zu Lieblichkeit und spätromantischer Emphase.   In der Dorfkirche zu Ringenwalde befindet sich das einzige noch erhaltene Instrument von Peter Migendt, gebaut 1760. In ihm nagt der Holzwurm. Es bedarf daher dringend der weiteren Restaurierung und Wiederherstellung seiner ursprünglichen Gestalt, die Anfang des 20. Jahrhunderts grob entstellt wurde. Dabei baute der Eberswalder Orgelbauer Kienscherf eine pneumatische Traktur ein, erweiterte die historische Disposition um damals in Mode stehende Register. Glücklicherweise blieben große Teile des originalen Pfeifenwerks, das Gehäuse und die Balganlage erhalten. Dennoch lässt sich Konzertantes auf der Orgel kaum noch spielen. Jedoch ist sie für gottesdienstliche Aufgaben noch tauglich. Und so stellt Joachim Frisius einzelne Register vor, spielt Choralimprovisationen, denen der gemeinsame Gesang der Kirchenlieder folgt. Die spontane Kollekte ergibt ein erkleckliches Sümmchen für die Wiederherstellung dieses uckermärkischen Kleinods.   Die diesbezügliche Krönung gibt''s mit der Wagner-Orgel, gebaut 1742-1744, in der Marienkirche zu Angermünde. Sie ist gut in Schuss, wofür seit Jahren Kantor Dieter Glös sorgt. Zunächst erzählt er den hautnah am Instrument versammelten Orgeltouristen von Bau und Registern, ehe er mit Werken von Johann Pachelbel, Orgelstücken alter Meister und der berühmten Toccata und Fuge d-Moll BWV 565 Glanz, Pracht und Farbenreichtum dieses bedeutenden Instruments offenbart. In Sätzen aus der „Orgelmesse für Pfarrkirchen“ von Francois Couperin lässt Dieter Glös verspielt den Zimbelstern klingeln, in einer Musette von Jean Dandrieu die Paukenengel kräftig den Marsch trommeln.    Wir sind ausgegangen, haben Freude gefunden und um Erkenntnisse reicher geworden. Was gibt es in der uckermärkischen Orgellandschaft noch zu entdecken?

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