Kultur: Wo es nach Apfelkuchen riecht Elf Frauen über 40
tanzen in der „fabrik“
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Für manche ist Heimat der Geruch von Omas Apfelkuchen aus der Kindheit. Für andere ist es der Ort, wo sie heute arbeiten und ihre neue Familie haben. Andere wiederum verbinden mit Heimat einen Sehnsuchtsort, zu dem es sie immer wieder im Urlaub hinzieht.
Elf Frauen über 40 gehen in einem Tanzprojekt der „fabrik“, das am heutigen Freitag Premiere hat, ihren ganz verschiedenen Vorstellungen von Heimat nach. Unter der Leitung der beiden Tänzerinnen Malvgen Gerbes und Sabine Chwalisz entwickelten sie seit Februar Bewegungen und Texte, in denen sie ihren eigenen Lebenslinien nachspüren und mit anderen verschränken. Für die meisten ist es die erste Bühnenerfahrung, manche sind bereits das dritte Mal, also seit Beginn dieses „fabrik“-Projektes „Frauen über 40“ dabei. Die beiden Choreografinnen sorgen umsichtig dafür, dass der Bühnenraum für alle auch ein Schutzraum ist. Dabei helfe das Licht oder der Tisch, an den die Frauen nach ihren Soli, Duetten oder Gruppenchoreografien zurückkommen können, der sie hält und der sie mit trägt. „Der Ansatz kann nur sein, die Frauen nicht bloßzustellen, sondern zu schauen, was sie bereits können und was sie zu lernen in der Lage sind“, sagt Sabine Chwalisz. Und für die künstlerische Leiterin der „fabrik“ ist es vor allem der sichtbare Spaß der Teilnehmerinnen, der nach außen strahlt und den Abend kurzweilig und unterhaltend werden lässt. Unbedingt gehöre zu der 45-minütigen Performance das anschließende Gespräch mit dem Publikum dazu: darüber, was die Zuschauer auf der Bühne gesehen haben, wo sie sich berührt fühlten und wo nicht.
Es ist das erste Mal, dass die Choreografinnen ein Thema vorgegeben haben. „Es wäre natürlich spannend gewesen, auch Migrantinnen dabei zu haben, Frauen, die ihre Heimat verlassen mussten.“ Es haben sich aber keine auf den Aufruf der „fabrik“ gemeldet. Aber auch so sei eine interessante Mischung entstanden, betont Sabine Chwalisz, die das Thema Heimat vor allem angesichts der Globalisierung und der Einforderung nach größter Mobiliät in der Arbeit relevant findet. Gerade deswegen sei es für viele wichtig, sich seiner Wurzeln zu vergewissern. Andere wiederum sind gern Kosmopolit. Natürlich hat das Thema auch mit Sabine Chwalisz selbst zu tun. „Geboren wurde ich in Hessen, aber vier Jahre bin ich in Spanien aufgewachsen. Und jetzt lebe ich in Potsdam. Hier bin ich angekommen, hier ist meine Familie, meine Arbeit. Und hier bin ich emotional gebunden. Deshalb ist Potsdam meine Heimat und nicht Offenbach.“
Um dem Begriff Heimat näherzukommen, wurde auch gemeinsam gekocht. Eine Frau brachte das Rezept ihrer Oma mit, eine andere ein Reisgericht aus Afrika. Doch für alle beschreibt Heimat den Ort der Geborgenheit. Eine aus der Gruppe erzählte, dass sie unbedingt in den Ruhrpott zurück will, wenn sie Rentnerin ist. Potsdam sei für sie nicht der Ort, an dem sie ihren Lebensabend verbringen möchte. Und diese Sehnsucht nach Vertrautem, nach Sicherheit, soll in der Performance nun künstlerische Gestalt annehmen – untermalt vom Rauschen des Meeres, einem Bossa Nova oder Schlagermusik. Heidi Jäger
Freitag, 30. November, und Samstag, 1. Dezember, jeweils 20 Uhr, „fabrik“, Schiffbauergassse, Eintritt im Vorverkauf 6/erm. 4 Euro, an der Abendkasse 8/erm. 6 Euro
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