Kultur: Wo ist die schöne gelbe Telefonzelle? Hartmut Dorgerloh über Geschichtsdenkmale
Der große Vortragssaal der URANIA platzte aus allen Nähten. Der Direktor der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten stand rechts vorne in der Ecke: bescheiden, schwarzes Haar über schwarzer Brille über schwarzem Anzug, und wartete auf seinen Einsatz.
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Der große Vortragssaal der URANIA platzte aus allen Nähten. Der Direktor der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten stand rechts vorne in der Ecke: bescheiden, schwarzes Haar über schwarzer Brille über schwarzem Anzug, und wartete auf seinen Einsatz. Hartmut Dorgerloh hatte am Donnerstagabend die Aufgabe, den Eröffnungsvortrag des Zentrums für Zeithistorische Forschung für die neue Kulturland-Jahr-Reihe zu halten. Der Titel ist „Politik in Stein – Architektur und Macht in Berlin und Brandenburg im 20. Jahrhundert“.
Über die Schlösser als Geschichtsdenkmale im 20. Jahrhundert wollte er sprechen, und Kenner der konservativ orientierten Denkmalideologie konnten, wenn sie misstrauisch genug waren, eine hinter der Überschrift versteckte kleinere Revolution vermuten.
In der Tat, schon der Vortragsstil von Hartmut Dorgerloh unterschied sich weitgehend vom üblichen zementstaubtrockenen Duktus. Da flocht der agile Redner doch gar das eine oder andere Späßchen ein. Zu Beginn bestätigte er dem Publikum dessen Erwartungshaltung, dass es um die Schlösser Rheinsberg, Paretz, Caputh und so weiter – „Sie kennen sie alle“ – gehen solle, doch dann zeigte er Dias der Glienicker Brücke.
Anstatt seinen Gedankensprung zu erklären, erheiterte er die um die einzigartige Kulturlandschaft besorgten Mienen mit der Überraschungsfrage: „Wo ist sie nur geblieben, die schöne gelbe Telefonzelle?“ und spielte damit auf die veränderte Funktion der Glienicker Brücke während des Kalten Krieges an. Tatsächlich steht auf Westberliner Seite keine schöne gelbe Telefonzelle mehr, die den ausgetauschten Spionen den ersten Freiheitsanruf ermöglichte. Es geht dem Schlösserdirektor auch nicht um die Wiederherstellung derselben, sondern um eine Veränderung des Geschichtsbewusstseins.
Der Blick in großartige Hohenzollern-Vergangenheit allein macht zwar selig, aber kann alleine nicht mehr gelten. Dass die Glienicker Brücke nicht nur im Zentrum der einzigartigen Kulturlandschaft als verbindendes Element stehe, sondern eben auch Symbol der Teilung Europas war, werde heute kaum noch erkannt, es werde aber auch nicht darauf hingewiesen. Lediglich ein Mini-Schild gibt eine kurze Information, aber der aufmerksame Beobachter kann weitere Merkmale erkennen: An der Stelle, wo die beiden Systeme aufeinander treffen, sind die Nuancen des Braungrau durch das jeweilige System vorgefärbt und noch heute erkennbar unterschiedlich.
Sicher gehe es nicht darum, die Mauer wieder zu errichten. Die Frage für die Schlösserstiftung sei, so führte Dorgerloh an konkreten Fällen – Schloss Sacrow, Cecilienhof, Villa Schöningen und Schloss Glienicke – aus, zum Beispiel bei Schloss Schönhausen in Pankow: wie viel Wilhelm Pieck und wie viel Elisabeth Christine? Nirgendwo sonst sei man so nah an der Arbeit des ehemaligen DDR-Staatspräsidenten, der die Residenz Elisabeth Christines, der Ehefrau Friedrichs des Großen, großzügig nach eigenen Bedürfnissen umgestaltete. Und beides habe eben seine Berechtigung als „Geschichts-Schicht“, die je nach Bedeutung, wie zum Beispiel im Schloss Cecilienhof schon praktiziert, sichtbar gemacht werden solle.
So wisse man zwar sehr viel über das Zeitalter der Hohenzollern und der Prachtentfaltung der Schlösser und Gärten, habe aber nur sehr wenig wissenschaftliche Kenntnis des zwanzigsten Jahrhunderts. Der Herr der Schlösser und Gärten rief die Anwesenden dazu auf, ihre Zeitzeugnisse der Stiftung anzuvertrauen, damit auch weniger heroische Zeiten adäquat aufbereitet werden können. Logisch also, dass er am Ende seiner Ausführungen den zweifarbigen Wiederanstrich der Glienicker Brücke verlangte. Denn der macht zeichenhaft, aber unaufdringlich, auch auf andere als die paradiesischen Zustände aufmerksam.
Lore Bardens
Lore Bardens
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