Kultur: Wolfsschanze in Jüterbog
Der Stauffenberg-Hauptdarsteller Sebastian Koch war im Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte zu Gast
Stand:
Der Stauffenberg-Hauptdarsteller Sebastian Koch war im Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte zu Gast Den Fernsehfilm „Stauffenberg“ unter der Regie von Jo Baier hat in der ARD die Rekordzahl von acht Millionen Zuschauern gesehen, darunter fast die Hälfte unter 30-Jähriger. Als sich in der Potsdamer Gedenkwoche zum 60. Jahrestag des Umsturzversuchs vom 20. Juli 1944 Hauptdarsteller Sebastian Koch dem Gespräch stellte, war die Zuhörerzahl im Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte überraschend gering. Wer nicht da war, hat etwas versäumt. Sebastian Koch spielte den Offizier Claus Schenk Graf von Stauffenberg, der durch eine schwere Kriegsverwundung, die ihn ein Auge und die rechte Hand kostete, trotzdem ein lebensbejahender Mensch blieb. Wegen seiner äußerlichen Ähnlichkeit mit Stauffenberg war Sebastian Koch die Idealbesetzung für diese Rolle. Hinter seinem lächelnden Gesicht und der ungezwungenen Art verbirgt sich ein besessener Arbeiter, der Tausende Seiten an Veröffentlichungen über den Verschwörer gelesen hat. Dass er Stauffenberg so nahe gekommen ist, liegt aber wohl noch mehr an einer Begegnung mit der Witwe und den Söhnen, die ihm in ihrem Schloss bei Bamberg ermöglicht wurde. Der zurückhaltende, aber verbindliche Empfang, die Etikette, die zwischen den Familienmitgliedern eingehalten wurde, haben ihn tief beeindruckt. Vor allem darauf gründet sich seine überzeugende Darstellung, die auch von den Stauffenbergs akzeptiert wurde. Koch habe in Bamberg die Vertreter einer Welt getroffen, die es heute nicht mehr gibt, einer gesellschaftlichen Gruppe, die im Bewusstsein der Zugehörigkeit zur kulturellen Elite lebte, die bereit war, Verantwortung für die Gesellschaft zu übernehmen, kommentierte Spiegel-Redakteur Klaus Niegrebe diesen tiefen Eindruck. Für Sebastian Koch ist Stauffenberg ein Held, der lange in Deutschland nicht als Held galt. Die Männer des 20. Juli 1944 wurden nach dem Krieg von rechts als Hochverräter, von links als reaktionäre Clique verunglimpft, ihre Hinterbliebenen diskriminiert. 60 Jahre nach dem Umsturzversuch sei es möglich, aufbauend auf den Forschungen die Persönlichkeit Stauffenbergs realistisch und auch in ihren Emotionen darzustellen – und das ist Koch gelungen. Diese Aufgabe war um so schwieriger, als Regisseur Baier den Abläufen des 20. Juli 1944 minutiös folgt und seinen Akteuren wenig Freiraum ließ. Außer dem Hinweis, dass eine wichtige Motivation für den Umsturzversuch im christlichen Glauben lag, was im Film nicht deutlich gemacht worden sei, kam aus dem kleinen Zuhörerkreis wenig Erbauliches. Ein Heereskundler bemängelte, die Offiziere hätten nicht die richtigen Orden getragen. Ehe er zu den Uniformknöpfen überging, konnte ihn der aufmerksame Moderator Tim Jäger stoppen. Der Reporter vom rbb hatte den Abend mit einem Fernsehbericht über die Dreharbeiten zu „Stauffenberg“ eröffnet. Ort war das frühere Militärgelände Altes Lager bei Jüterbog. Dort hatten die Filmleute das Führerhauptquartier „Wolfsschanze“ im heute polnischen Ketrzyn, dem damaligen Rastenburg, originalgetreu nachgebaut. Erhart Hohenstein
Erhart Hohenstein
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: