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Kultur: Wortgräber

Jürgen Udolph erklärt, woher die Namen kommen

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Jürgen Udolph hat es eilig. Und das, obwohl er sich diesmal mehr Zeit nehmen kann, als die wenigen Minuten zwischen zwei Liedern bei „Radioeins“. „Numen Nomen Namen“ heißt der Titel seiner täglichen Namenberatungs-Show kurz nach elf Uhr – mehr als 2000 Radio-Hörer konnte er dort bereits im Schnellverfahren über ihre Namen aufklären. Am Samstagnachmittag kam Jürgen Udolph, Professor für Namenkunde an der Uni Leipzig, ins Haus der Brandenburg-Preußischen Geschichte (HBPG) im Kutschstall am Neuen Markt und sprach über „Familiennamen in und um Potsdam“.

Für jemanden, der das Orchideenfach Onomastik – die Namenkunde –, ein Teilbereich der Sprachwissenschaft, nicht nur ans Licht der Öffentlichkeit geholt, sondern auch noch sexy gemacht hat, wirkt der Professor im taubenblauen Hemd zunächst eher unscheinbar. Sein Publikum – mit etwa 50 Zuhörern war der Saal nicht ausverkauft – reißt er dann aber mit der eigenen Begeisterung sehr schnell mit.

Im Eilverfahren geht es durch die deutsche Sprachgeschichte. Das Gotisch, das vor rund 700 Jahren gesprochen wurde, versteht heute keiner mehr, erläutert der Professor und liest als Gegenprobe ein paar Verse vor. Wörter entstehen, haben ein Leben und sterben wieder, so die Quintessenz. Was das mit den Namen zu tun hat? „Die gestorbenen Wörter leben manchmal in Namen weiter, denn dort werden sie konserviert“, klärt der Sprachwissenschaftler auf. Die Bedeutung der heutigen Namen, so der Umkehrschluss, kann man deshalb aber auch nicht nur aus der heutigen Sprache erklären. Dafür muss man zurückgreifen auf ältere Sprachstufen. Sonst steht beispielsweise ziemlich ratlos da, wenn man – wie eine Zuhörerin – Frau Schneehufer heißt.

Der deutschlandweit einmalige Name hat mit Schnee nichts zu tun, erläuterte Udolph. Er vermutet dahinter eine Variante des schweizerischen „Schneuwly“ – die Vorfahren hätten sich demnach durch blond-weißes oder lichtes Haar ausgezeichnet.

Enttäuschen musste Udolph dagegen Herrn Valjeur, der bisher immer angenommen hatte, hugenottischer Abstammung zu sein. Nicht möglich, meint der Namenkundler. Denn den Namen gibt es in Frankreich gar nicht, wie der Blick ins Internet zeigt. Die Vorfahren des vermeintlichen Hugenotten seien wohl eher Russlanddeutsche gewesen – Nachweise für eine Familie Waljor jedenfalls hat Udolph mit ein paar Mausklicks parat. Sie könnte einst aus dem südwestdeutschen Raum eingewandert und später zurückgekommen sein, so die Vermutung.

Mit dem Namen, soviel wird bei dem zweistündigen Vortrag klar, trägt man ein Stück Familiengeschichte mit sich herum. Was unsere Vorfahren gearbeitet haben, wie sie aussahen und wo sie gelebt haben, all das kann in einem Namen aufgehoben sein. Diese Geschichte zu finden und zu erzählen, fasziniert Menschen heute offenbar mehr als je zuvor.

Davon zeugen nicht nur die Radio-Sendung und Udolphs Auftritte in diversen Fernsehtalkshows. Zum Namendeuten kommt der Experte aber kaum noch. „Es gibt so viele Anfragen, ich schaffe das selber gar nicht mehr“, berichtete Udolph am Samstag. Den Job übernehmen mittlerweile seine Studenten bei der „Namenberatung“ in Leipzig. Jana Haase

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