Kultur: Wunder am Ende des Weges
Vierte und letzte Dornenzeit-Station in der Friedenskirche Sanssouci
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Einer wurde gekreuzigt kurz vor dem ersten Sabbat nach Frühlingsbeginn. Er nannte sich „Menschensohn“ und Sohn Gottes zugleich. Er starb nach seiner „Dornenzeit“ mit den seltsamen Worten „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen“. Jetzt zerriss der Tempelvorhang von oben nach unten, eine Finsternis kam, Erdbeben legten die Gräber frei, und die Leiber der Heiligen, „die da schliefen“, erschienen vielen. Solche Wunder machten nun etlichen klar, wen man da ans Holz geschlagen hatte. Auch der Wachthauptmann aus der Gilde Pilatus“ wurde unter dem Kreuz so vom Glauben berührt, denn Jesus hatte die Wahrheit gesprochen.
Den Heutigen sind solche Mirakel versagt. Das wird Gründe haben. Mehr ahnend als wissend, ist ihnen die Erforschung von Leben und Sterben Jesu als ständige Aufgabe mitgegeben. Hilfreich war manchem dabei die wöchentliche „Dornenzeit“ in der Friedenskirche, jeweils am Sonnabend zur Vesperstunde.
Die letzte vor der „Johannes-Passion“ des Oratorienchores erzählte mit Bibel- und anderen Worten von der Kreuzigung und der Grablegung Jesu Christi, wobei Stadtkirchenpfarrer Markus Schütte die Textlesung mit Matthäus 27.61 ganz unerwartet abbrach. Vorerst bleibt also stehen, was sich mit Auferstehung und Himmelfahrt „nach der Schrift“ vollenden muss. Solch ein Innehalten war recht geeignet, um das Erstaunen von Käthe Kollwitz über Jesu“ letzte Worte repetieren zu können, den leisen Zweifel, „als ob er zuletzt doch noch auf ein Wunder gehofft hätte“.
Margot Käßmann, fragte in ihrem Text, was wohl aus dem Hauptmann geworden sei, den Gott durch dieses erdebebende Erlebnis mit Glauben „beschenkte“. Inge Meidinger-Geise wählte cineastische Worte („unglaubliche Filmstory“) für das Unfassbare. „Tot ist tot“, schrieb sie, „das widerlege erst einer mal“. Genau, darum geht es ja gerade!
Verlässlich-superb auch diesmal der musikalische Anteil an dieser Stunde. Eingangs, als der Sturm an den Kirchentüren rüttelte, war Volker Bräutigams (*1939) Psalm für Orgel (Matthias Jacob) und Sopran (Susanne Behrens) mit dem Titel „Aus der Tiefe rufe ich, Herr, zu dir“ mit kräftigen Dissonanzen. Exzerpte aus Girolamo Frescobaldis „Fiori musicali“ (Venedig 1635) mit zwei Kyrie und zwei Toccaten gemäßigter Tempi, deren „chromatische“ besonders glanzvoll gelang, brachte die Harmonien des „geordneten Fühlens“ zurück. Matthias Jacob fand dafür wunderbar leichte, fast spielerische Töne. Überhaupt schien diesmal das Lamento um Jesu Tod ein wenig zurückgenommen. Sagte er nicht selbst zu seinen klagenden Jüngern, wenn er nicht stürbe und zum Himmel aufführe, könne er niemanden „erlösen“?
Auch die anderen Werke ordneten sich diesem Grundgedanken am Ende seines Weges wunderbar unter: Die filigran gestaltete Ciacona f-Moll von Johann Pachelbel, das teils spielerisch wirkende, vom Sopran sehr arios interpretierte „Biblische Lied“ op. 99 von Antonin Dvorak. Stark im Eindruck auch diesmal Olivier Messiaen mit dem Auszug aus „Le Banquet Céleste“ für Orgel solo durch die unitäre Leichtigkeit von Werk und Interpretation. So meditierte man gerne über das Abendmahl.
Zuletzt, als Hinweis auf die kommende Johannes-Passion, drei kleine Lieder von Bach aus Schemellis Gesangbuch von 1736, von Susanne Behrens und Matthias Jacob gut ausgeführt. Gerold Paul
Weitere Veranstataltungen in der Friedenskirche Sanssouci: 8. 3., 19 Uhr, Johannes-Passion von Johann Sebastian Bach; Das Evangelium nach Pilatus, zwölf Szenen zur Passion, am 14. 3., 18 Uhr im Rahmen des Ökumenischen Jugendkreuzweges und am 15.3., 17 Uhr.
Gerold Paul
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