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Kultur: Zarte Gebilde einer uralten Gestalt

Der Verlag Edition Babelturm gibt Margarete Hollmanns Gedichte und Zeichnungen als Buch heraus

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Das Haus von Margarete Hollmann auf Hermannswerder war gefüllt mit Kunst und Büchern aus der Medizin, Philosophie, Esoterik, der Belletristik oder der Lyrik. Texte des schwäbischen Dichterpfarrers Eduard Mörike lagen immer griffbereit. Jeden Abend, auch noch einige Wochen vor ihrem Tod, las oder rezitierte die 103-Jährige ein Gedicht von Mörike. Hin und wieder schrieb sie eines ab, um es ganz und gar zu verinnerlichen oder sie legte es dem Brief an einen ihr nahestehenden Menschen bei. Des Dichters Beschreibung von Natur und Alltag waren ihr nah, aber vor allem fühlte sie sich zum Überzeitlichen seiner Gedanken, zu den meditativen Betrachtungen seiner Welt- und Gottessicht hingezogen.

Den heiteren Ernst der Lyrik Eduard Mörikes griff Margarete Hollmann auch in ihrem eigenen Schreiben auf, ohne dass sie sich selbst als Dichterin begriff. Man kann ihre Zufallsprodukte, die wohl meist aus einer stillen Emotion heraus verfasst wurden, in dem von dem Potsdamer Verlag Edition Babelturm herausgegebenen Buch „Spuren = Signaturen“ erleben. Zusammengestellt wurde die Auswahl von der Tochter Angela Hollmann und Gunnar Porikys. Der hatte in der Edition Babelturm gleich nach der Wende 1989 kulturell-philosophische Texte, die in der DDR offiziell nicht willkommen waren, veröffentlicht. In der 1907 in Karlsruhe geborenen Margarete Hollmann fand Porikys eine aufmerksame Begleiterin.

Nach ihrem Tod am 16. August 2010 entdeckte man beim Aufräumen und Ausräumen des Hauses auf Hermannswerder ihre Blätter mit Gedichten und Bildern, manches hatte sie so versteckt, als ob sie niemandem in ihre innere Schreib-Welt Einblick geben wollte.

Aus den verschiedenen Phasen ihres Lebens stammen die Gedichte. Nicht alle wurden von ihr mit Jahresangaben versehen. Das sollte sich in den letzten Jahren ändern, als sie sich intensiv auf den Tod vorbereitete. Mit den Worten „Und schau nach vorn! Und nicht zu viel zurück“ wusste sie sich selbst zu ermuntern und Hoffnung zu geben. Denn sie hatte die Gewissheit: „Doch Ende ist nicht Ende, ist nur Wende “ Sie verfasste keine appelativen Gedichte an ihre Mitmenschen, sondern an sich selbst. Margarete Hollmanns zarte Gebilde berühren durch eine geistige Weite. Was in ihnen an Zuversicht gegeben wird, entspricht einer in sich gefestigten Gedanken- und Glaubenswelt.

Die farbigen Bilder, meist im naiven Duktus gezeichnet, entpuppen sich in dem Buch als kleine Kostbarkeiten, die vom köstlichen, aber nie lauten Humor der Urheberin erzählen. Gemeinsam mit Gedichten hat sie in ihnen auch Alltägliches, darunter Groteskes, liebevoll aufgespießt. Beispielsweise kreierte sie eine neue Berufssparte, die „Dinner-Hostesse“, oder sie hatte für die Erfindung des Pistolengasanzünders eine eigene, fast philosophische Erklärung.

Gunnar Porikys hat viele Lebensjahre Margarete Hollmanns auch als Fotograf begleitet. Einige seiner Bilder bereichern das Buch. Sie sind beherrscht von der Intensität des Augenblicks. Liebevoll und damit sensibel fotografierte Porikys sein Gegenüber. Sie sei, so schrieb sie, eine „uralte Gestalt“, die noch von Sonnenstrahlen gewärmt werde. Der Fotograf fand aber stets eine Frau vor, die mit gütigen Augen und einem leisen Lächeln in die Welt blickte und eine andere ersehnte. Auf einem seiner Bilder schaut sie freudig-winkend nach oben. Klaus Büstrin

Margarete Hollmann, Spuren = Signaturen, Edition Babelturm, 14,90 Euro. Erhältlich nur in der Buchhandlung „Das internationale Buch“

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