Ganz ohne Pathos. Von Anfang an bis zum Schluss. Jutta Wachowiak erzählt aus ihrem Leben. Facetten aus ihrer Biografie wurden von dem Regisseur und Schriftsteller Günther Rücker während der Drehpausen zu dem DEFA-Film „Die Verlobte“ aufgeschrieben und verdichtet und später als Hörspiel gesendet. „Dame vor Spiegel“ heißt der Monolog, der 1982 von Jutta Wachowiak auch für den Rundfunk eingesprochen wurde. Damals gehörte sie zu den viel beschäftigten Schauspielerinnen des Deutschen Theaters Berlin. Nun führt sie den Monolog in Potsdam auf, nicht am Hans Otto Theater, wo ihre Laufbahn begann, sondern auf dem Theaterschiff. Am Samstag war Premiere und der Raum wie erwartet ausverkauft. Gemeinsam mit Martina König, die Regie führte, hat sie für die Aufführung den Text erweitert.
Die Erfahrungen der Schauspielerin aus den neunziger Jahren nehmen nun einen nicht geringen Platz ein. Es waren in künstlerischer Hinsicht für sie bittere Zeiten. Jutta Wachowiak, die Erfolgreiche, musste erleben, dass sie bei der Rollenvergabe in Stücken kaum bedacht wurde. Sie war tief verletzt und meinte, dass sich vieles gegen sie wandte. Auch die Frage eines Regisseurs, wie viele Stunden Sprechübungen sie am Tage mache, kränkte sie. Jutta Wachowiak fühlte immer mehr die kalten Seiten des Lebens.
Da sitzt sie nun im Theaterschiff, bekleidet mit einem beigen Hosenanzug, vor einer kahlen Wand an einem kleinen Tisch als Dame vor dem Spiegel. Ein Glas Wasser und der Monologtext sind die einzigen Requisiten. Und jede einzelne der vielleicht 40 Seiten lässt sie vom Tisch fallen. So, als ob sie sagen möchte: Die Worte gehören nun nicht mehr mir. Und der Spiegel? Nur ein fiktiver kommt hin und wieder zum Einsatz. Ein Leben lang schminkt man sich die Wahrheit aus dem Gesicht, stellt sie fest. Doch die Dame vor dem Spiegel schminkt sich nur sparsam. Sie möchte ihr Leben ohne dick aufgetragene Tünche Revue passieren lassen.
„Dame vor Spiegel“ ist kein Monolog, der sich analytisch mit dem eigenen Leben auseinandersetzt. Vielmehr erzählt er zumeist in aneinandergereihten Episoden aus der Kindheit und der Jugend: Da sind die Erlebnisse auf dem unsicheren Treck, mit dem sie am Ende des Zweiten Weltkrieges mit ihrer Familie über die Landstraßen fahren musste, die Erfahrungen mit dem Stiefvater, der mit Alkoholproblemen zu kämpfen hatte, der sich nur von ihr aus der Kneipe nach Hause holen ließ. Von einer nächtlichen Bahnfahrt und dem Besuch bei der geliebten Schwester in Luckenwalde hört man, von ihrem ersten Beruf als Sekretärin und dass ein Horoskop ihr sagte, dass sie Mut haben sollte. Die Kollegen erkannten, dass Jutta schauspielerisches Talent hat. Sie nahm allen Mut zusammen, ging zur Filmhochschule in Babelsberg, sprach das Gretchen aus „Faust“ vor und wurde abgelehnt. Zunächst schämte sie sich, doch sie wiederholte die Prüfung und konnte studieren.
Der Text von Günther Rücker hat eine wunderbare Leichtfüßigkeit, mit feinem Humor. Jutta Wachowiak spricht ihn, unterstützt von knappen Gesten, zumeist mit einem leisen, zärtlich-warmen Ton – intensiv und ganz ohne Pathos. Melancholie legt sich über die einstündige Aufführung. Die demütigenden Erfahrungen der 90er Jahre erscheinen wie ein Schleier der Trauer. Jutta Wachowiak könnte auch über ein glanzvolles Leben auf der Theaterbühne berichten. Aber das fiel aus. Vielleicht wäre der Monolog bei einer anderen Schauspielerin mit mehr Abstand besser aufgehoben. Klaus Büstrin
Vorstellungen: 22./23. Mai, 20 Uhr
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