Von Heidi Jäger: Zeitschleifen
Morgen wird zu den „Herbstleuchten“ in der fabrik das Stück „Like That, Like This“ uraufgeführt
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Es ist ein Blick zurück nach vorn: Zehn Jahre sind seit ihrer ersten gemeinsamen Performance vergangen, an die sie nun anknüpfen wollen. Jahre, in denen viel passierte. Carlos hat sich als Tänzer behauptet und steht inzwischen mit seinen Choreografen auf Augenhöhe. Und er hat bereits auch eigene Stücke entwickelt. Nicht anders als Litó, die aber vor allem durch die Geburt ihrer Tochter Xenia vor einem Jahr die Welt in einem neuen Licht sieht. „Seit ich Mutter bin, habe ich ein ganz anderes Verhältnis zur Zeit und auch viel mehr das Verlangen, mit Emotionen zu arbeiten.“
In dem Begehren, eine Zeitschleife zu ziehen, kehrte sie gedanklich zurück nach Amsterdam. Dort, wo sie als Studentin auf Carlos traf, mit dem sie eine ähnliche Sinnlichkeit verband. An der renommierten Schule für neue Tanzentwicklung setzte die Kanadierin den Spanier in Szene. „Wir spürten in einem Solo ganz konkreten Alltagsfiguren nach. Durch Improvisation entwickelten wir ein dichtes und zugleich abstraktes Porträt eines Mannes.“
Während ihrer zwei sommerlichen Residencen in der Potsdamer fabrik knüpften sie an dieses Solo an, um daraus ihr Stück „Like That, Like This“ zu entwickeln, das morgen seine Uraufführung erlebt. Jetzt stehen beide auf der Bühne und sind gleichermaßen Impulsgeber. „Ich bin nicht mehr der alleinige Star“, lacht der 34-jährige „Insulaner“, durch dessen dunkles Haar sich die ersten Silberfäden ziehen und auf dessen rotem T-Shirt bunte Hühner gackern.
Beide Künstler bauten sich in der fabrik einen imaginären Wald, in dem sie nun durch ihre Erinnerungen tanzen. „Die Verbindung mit der Natur eröffnet einen neuen Raum, der Platz für Fantasie lässt und Assoziationen provoziert, ohne erzählerisch zu werden“, so die 33-jährige Litó Walkey. Der Wald sei künstlerisches Mittel, um Atmosphäre zu schaffen und ins Unterbewusstsein vorzudringen. Er spiegele aber nicht die eigene Herkunft. „Auf Teneriffa gibt es kaum Wald“, sagt Carlos. Und auch Litó, die Tochter einer Griechin und eines Kanadiers, wuchs neben ihm auf. Ihre Heimatstadt ist Vancouver. Dort erlernte sie ihre ersten Tanzschritte: zuerst an der Ballettstange, dann als Teenie im Flamencokleid. Oft besuchte sie mit ihren künstlerisch ambitionierten Eltern Aufführungen mit modernem Tanz. Und das schlug nachhaltig Funken.
Carlos verlor sie nie ganz aus den Augen. Als sie vor fünf Jahren in Antwerpen Soli mit unterschiedlichen Tänzern einstudierte, war er war mit von der Partie. „Außerdem arbeiten wir oft mit den gleichen Choreografen, wenn auch nicht zeitgleich.“ Es sei nicht immer leicht, als Tänzer sein Brot zu verdienen, räumt Carlos Pez, der jetzt in Brüssel lebt, ein. „Es gibt Zyklen und natürlich auch schwierige Perioden. Aber mit der Zeit erreicht man Kontinuität. Ich lege immer mehr Augenmerk auf Stücke, in denen eine Zusammenarbeit gefragt ist.“
So wie jetzt mit der Neu-Berlinerin Litó. Die Neugierde aufeinander war nach dem Zeitsprung besonders groß. „Und schön war es auch, dass sich während der Proben Martin Nachbar als unser Mentor dazu gesellte“, der ebenfalls Student in Amsterdam war und das „Ehemaligentreff“ komplettierte. Wie auch Mentorin Lucy Cash, die auf Tanzaufführungen focussierte Filmemacherin. „Sie kenne ich aus Chicago, wo ich lange Zeit bei einer Tanzcompany arbeitete.“ Dort fasste Litó auch den Mut, eine eigene Familie zu gründen, so wie es dort unter Tänzern normal ist. Tochter Xenia tappelt wie zur Bestätigung derweil an der Hand ihres österreichischen Vaters Boris Hanf durch die fabrik. Der komponierte die Musik zu „Like That, Like This“. „Wir haben das Glück, unsere Arbeitsbedingungen beeinflussen zu können und sind flexibel genug, zwischen Beruf und Privatem ein Gleichgewicht zu finden.“ Möglicherweise ziehen Litó und Carlos in zehn Jahren die nächste Zeitschleife. „Dann vielleicht zu dritt: mit Xenia im Trio“, so der Spanier mit sympathischem Lausbuben-Lächeln.
10. und 11. Oktober, jeweils 20 Uhr: „Like That, Like This“ mit Litó Walkey und Carlos Pez; außerdem die Deutschlandpremiere von „ANNA“ mit Sonia Brunelli; , fabrik, Karten unter Tel. 2800314.
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