Kultur: Zickenterror um Weicheier
Jugendtheater Scharfe Sterne im T-Werk: Pemiere von „Schöner, schlauer, besser ...“
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Die Mitglieder des Jugendtheaters Scharfe Sterne hätten sich ja auch für ein Fantasie-Stück entscheiden können. Elfen, Zauberer und Hobbits. Gut gegen Böse. In prachtvoller Kulisse eines Geisterwaldes. Oder irgendetwas von Dürrenmatt. Moral. Der wird auch immer gerne von jungen Leuten gespielt. Aber nichts von all dem. „Schöner, schlauer, besser ...“, das am Freitag im T-Werk Premiere hatte, ist Alltagstheater. Statt faulem Zauber und „modernen“ Klassikern, gehen die jungen Schauspieler im Stück von Spielleiterin Yasmina Ouakidi dahin, wo es richtig weh tut. In ihr eigenes Leben. Jobsuche, Liebeskummer, Eifersucht und ätzende Eltern. Genug Herausforderung für einen Menschen in der Orientierungsphase Jugend, um sich ohne Verwandlung manchmal schon wie Drachentöter oder Elfenverführer zu fühlen.
Das Bühnenbild besteht nur aus sechs Teilen. Drei fahrbare Wänden und drei variable Holzwürfeln sind alles, was das Ensemble braucht. Von Szene zu Szene verschieben sich die Tafeln wie von Geisterhand. Also weder Heldenrollen, noch äußeres Brimborium, nichts, an das man sich hier klammern könnte. Die Darsteller stehen ganz ohne Vorbilder in einem beinahe leeren Raum. Hier kann man, darf man, muss man beim Schauspielern Gas geben. Und tut´s.
Da ist die vorlaute Nele, gespielt von Sally Sohera Schmidt. Eine „Supercheckerbraut“ in Tank-Top und Hot-Pants. Und die stille „Losertrine“ Doro (Elisabeth Rößler), deren Mutter (Christin Engelbrecht) fester Meinung ist, man habe ihr im Krankenhaus das falsche, weil langweilige, Kind angedreht. Schmidt wirft die Hüften ein wenig zu kokett gen Himmeln, wenn sie herumstolziert, ihr Ton ist zu monoton auf Besserwisserei geschaltet, wenn sie an Doro und der Welt herum nörgelt. Aber sie gibt in der Rolle bravourös Dampf. Rößlers Doro ist zart, und mimisch darin sehr reif. Ihr Augenaufschlag kann Herzen brechen. Ihre Schüchternheit könnte aber auch Verstellung sein. Schließlich hat sie Nele den Freund ausgespannt - behauptet Nele. Der Junge (Max Beier) hat sie „gedisst“, wie das im jugendgemäßen Idiom, dem Coolsprech, heute heißt, dem sich die Scharfen Sterne gerne bedienen. Eben ganz nah an der pubertären Lebenswelt.
Die beiden Konkurrentinnen schweißt das Schicksal zusammen, indem es sie Seit“ an Seit“ in die Redaktion der Jugendzeitschrift „Flash“ verschlägt. Hier agiert Caroline Hache als knallharte Chefredakteurin und Business-Furie. Mit ihrer herzlosen Entlassung des Redakteurs Rost (Kontantin Streich) und der Einsetzung des ungleichen und unerfahrenen Paares an seiner Statt beginnt entgültig der Zickenterror. Bis Nele endlich einmal ohne ihren Domina-Duktus ganz sanft zu Doro die Worte „bleibste, bitte“ spricht, wechseln die Szenen in rasantem Tempo zu lauten, gefällligen Beats von Coldplay und Madonna.
Eher unterschwellig transportiert das Stück neben der Botschaft, dass man nur gemeinsam zum Erfolg kommen kann, ein ganz interessantes, weil fast schon feministisches Männerbild. René, der Junge zwischen den Kontrahentinnen, hat zum Ende alle Lust am anderen Geschlecht verloren. Ein anderer (Peter Schulz) verlangt nach einer Schönheits-OP, um auszusehen wie Brad Pitt. Der nächste kann „Sex and the City“-Folgen auswendig, und glaubt, gut zuhören zu können. In dieser Welt sind die Männer Weicheier und scheinen ersetzbar.
„Schöner, schlauer, besser ...“ zeigt eine temporeiche, spannende Variation der Allerweltsmoral „erstens kommt es anders, zweitens als man denkt“. Den Anspruch tief hängen, trotzdem groß rauskommen: alle Akteure sind eine Freude anzuschauen, keine Minute ist langweilig. Vielleicht handelt es sich also doch nicht um Alltagstheater. Matthias Hassenpfkug
Aufführungen: 8. und 9. September jeweils um 20 Uhr im T-Werk
Matthias Hassenpfkug
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