Kultur: Zitronennächte und andere Zufälligkeiten
„Kleine Formate Nr. 12“ heißt die traditionelle Endjahres-Ausstellung der Galerie Sperl. Mit 24 Künstlern des Hauses bringt sie ein buntes Kunst-Sammelsurium an die Wände
Stand:
Wo fängt man am besten an? Der Reihe nach? Von hinten? Spaziert man einfach durch und bleibt stehen, wenn der Blick sich verfängt? 24 Künstler, von jedem mindestens zwei Arbeiten. Rainer Fürstenberg neben Matthias Körner neben Angela Hampel. Erst Bronze-Skulpturen, dann Wintergemälde, dann punkige Porträts mit Tier. Man fühlt sich wie beim Katalogdurchblättern. Interessant. Ästhetisch. Langweilig. Was gibt es noch? Wie teuer?
„Kleine Formate Nr. 12“. Es ist schon zur Tradition geworden: Wie in jedem Jahr zeigt die Sperl Galerie im Holländischen Viertel ihre aktuellen und auch einige der möglicherweise zukünftigen Haus-Künstler zum Ende des Jahres in einer Sammelausstellung. In diesem Jahr zum zwölften Mal. Höchstens 60 mal 60 Zentimeter, was schon ein ziemlich großes Kleinformat ist, hat Galerist Rainer Sperl seinen bildenden Künstlern als Maßstab vorgegeben. Damit alle Arbeiten in die Räume passen. Und damit auch kleinere Werke dabei sind, die nicht so teuer sind. Bald ist Weihnachten. Geschenkezeit. Ab etwa 300 Euro aufwärts kosten die Werke, die fast alle 2005 entstanden sind, in dem Jahr, in dem der Bundeskanzler die Vertrauensfrage stellte, Katarina New Orleans überschwemmte und in Pakistan die Erde bebte. Was für Kunst schafft man in einem solchen Jahr?
Einige durchaus spannende Werke, wie man in der Sperl-Ausstellung sehen kann – wenn sich das Weltgeschehen auch auf den gezeigten Leinwänden nicht widerspiegelt. Der Potsdamer Stephan Velten malte in diesem Jahr das Bilderduett mit dem netten Namen „Zitronennächte 1 und 2“. Vor dunklem Himmel schneien dicke, gelbe Pinselpunkte vom Himmel, und zwei Zitronen, die auf etwas zuwehen, das aussieht wie ein auf den Kopf gestellter Bootsrumpf. Man denkt an Strand, an Sommer, fühlt fast frischen Zitronengeschmack auf der Zunge. Ein Wohlfühlbild. Trotz Schwarz. Trotz Nacht. Rainer Fürstenberg ist mit zwei filigranen Skulpturen dabei. Ein Gestalt annehmendes „Hohes C“ und ein „Obsessiver Observer“. Beide Arbeiten des Potsdamers überzeugen durch ihre einfache Form. Auch Angela Hampels knallig roter, androgyner Punkerkopf fesselt den Blick. Viele Extreme auf kleiner Fläche. Auf dem Bild der Dresdnerin steckt eine Schlange ihre gespaltene Zunge den Lippen des Jünglings entgegen.
An der gegenüberliegenden Wand hängt in überdickem Farbaufstrich von dem Berliner Künstler Hans Hendrik Grimmling ein Rennfahrer mit Helm. Zumindest sieht das undeutliche, fast kastenförmige Etwas auf der Leinwand so aus.
Christina Pohl aus der Uckermark ist eine der Neuen in der Galerie. Ihre Bilder heißen Katzentisch, Parkfrühling und Labyrinth. In einfachen Strichen hat sie den Umriss der Katze auf ein Bild gebracht, die Farben strahlen heftig künstlich.
Einer der Höhepunkte der Schau sind die drei Skulpturen von Jo Jastram, 1928 in Rostock geboren, Schüler von Prof. Walter Arnold und Prof. Heinrich Drake. „Strandreiter“ heißt eine seiner Arbeiten. Mit durchgedrücktem Rücken sitzt ein Mann auf einem Pferd. Seine Hände sind nach vorn gestreckt, als würde er Zügel halten. Aber die Hände sind leer, keine Zügel weit und breit. Da muss eine unsichtbare Kraft am Werke sein, die das Führen übernimmt. Ein schönes Bild.
Also doch noch ist der Blick hängen geblieben in dem zufälligen Sammelsurium. Wenigstens kurz. Wie nach einem Kunst-Schnellimbiss. Katalogblättern kann ja auch Spaß machen. Nur richtig nah kommt man den Künstlern dabei nicht.
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