Kultur: Zu Stein gewordenes Gotteslob
Der gebürtige Potsdamer Ludwig Bamberg schrieb eine umfangreiche Monographie über die Garnisonkirche
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Von der Kiezstraße bis zur Breiten Straße sind es nur ein paar Schritte. Sodann wurde die Garnisonkirche mit ihrem schlanken barocken Turm zur Bewunderung frei gegeben. Aber hören konnte Ludwig Bamberg das Glockenspiel der Kirche bis in sein Kinderzimmer hinein. Mit den Chorälen „Üb immer Treu und Redlichkeit“ und „Lobe den Herren, den mächtigen König der Ehren“ hat er sich schlafen gelegt und ist am Morgen aufgestanden. Als die Glocken jedoch zum Gottesdienst riefen, haben die Bambergs die Einladung nicht angenommen. Als Katholiken besuchten sie die Messe in der St. Peter und Paul-Kirche auf dem Bassinplatz. Doch den Organisten und Glockenisten der Garnisonkirche, Prof. Otto Becker, hat Ludwig Bamberg gut gekannt, schließlich waren sie Nachbarn. Vater Bamberg betrieb in der Kiezstraße ein Kolonialwarengeschäft, nebenan befand sich das Küster- und Kantorenhaus, in dem auch die Beckers wohnten.
Ludwig Bamberg, Jahrgang 1935, hat die furchtbare Nacht der Zerstörung der historischen Mitte Potsdams erlebt, die Nacht vom 14 auf den 15. April 1945. Bei den Bombenangriffen haben er und seine Eltern die Solidarität zwischen den Nachbarn in besonderer Weise erfahren. Doch mussten sie, als sie den Luftschutzkeller verließen, erleben, dass die Garnisonkirche, das Wahrzeichen Potsdams, die Wirkungsstätte Beckers brannte. Dieses Gotteshaus „begleitete“ Ludwig Bamberg sein Leben lang. Nun hat er über die Garnisonkirche ein Buch veröffentlicht, das soeben im Lukas Verlag Berlin erschienen ist. Die Veröffentlichung ist das Ergebnis der Magisterarbeit von 2004.
Ludwig Bamberg begann 1955 an der Technischen Universität im damaligen Westberlin Architektur zu studieren Als in der Nacht vom 12. zum 13. August 1961 die SED-Führung den „antifaschistischen Schutzwall“, die Mauer, baute, befand sich Bamberg im Westteil Berlins. Er wurde ein Ausgegrenzter.
Nach dem Studium ging der frisch gebackene Architekt nach Tübingen und Göttingen, schließlich nach Goslar, wo er noch heute wohnt. Dort war er viele Jahre Baudezernent des Landkreises. Als die Pensionierung „drohte“, wollte sich Bamberg nicht zurücklehnen und nichts tun. Er nahm sich vor, noch einmal hohe Anforderungen an sich selbst zu stellen. Er begann ein zweites Mal zu studieren, diesmal Kunstgeschichte an der Freien Universität Berlin. Für die Magisterarbeit hatte er zunächst die Idee, das weite Feld der Skulpturen zu beackern. Doch sein Professor riet, er möge seine tiefen Beziehungen zur Potsdamer Garnisonkirche nutzen und eine Arbeit über sie zu verfassen. Und so ist das Buch entstanden, voller Lebendigkeit und Liebe zur Heimatstadt.
Nach der Wende von 1989 hielten sich Buchveröffentlichungen über das architektonisch und geschichtlich wichtige Gotteshaus in Grenzen. 1991 erschienen Bücher von Andreas Kitschke, Werner Schwipps und Heinz Ohff/Martin Seidel – Arbeiten, die sich in sachlich-wissenschaftlicher und feuilletonistischer Weise dem Bauwerk nähern. Dagegen legt man des Dokumentarfilmers Karl Gass undifferenziertes Schmähbuch, erschienen 1999, schnell zur Seite.
Ludwig Bamberg beleuchtet in seinem mit historischem Bildmaterial reich ausgestatteten Buch detailliert die Baugeschichte, die Ausstattung und die Bedeutung der Kirche. Dabei bedenkt der Autor die religiöse Situation in Brandenburg-Preußen und die Haltung des Throninhabers Friedrich Wilhelms I. Der König ist ein leidenschaftlicherAnhänger eines Pietismus gewesen, wie ihn der Hallenser August Wilhelm Francke lehrte. Neben der religiös-verinnerlichten Seite findet man bei Francke auch eine ausgesprochen soziale Komponente. Bei der Konzeption für ein neues Gotteshaus in Potsdam kam für den König keine Schlosskapelle in Frage. Er wollte gemeinsam mit seinen Soldaten Gottesdienste feiern in einer eigens dafür gebauten Kirche. Die Garnisonkirche wurde ein Werk des Berliner Militärarchitekten Philipp Gerlach. Im Jahre 1732 fand die Einweihung statt.
Mit großer Kenntnis, die der Autor nach ausgiebigem Quellenstudium erlangte, hat Bamberg sich der Architektur des Kirchenraums und seiner Ausstattung zugewandt. Spannend wird es in diesem Buch unter anderem dann, wenn Ludwig Bamberg bauhistorische Vergleiche mit Schlosskapellen anderer Fürstenhäuser heranzieht, die Vorbilder des Turmes bedenkt oder über die in der Zeit Friedrich Wilhelms bevorzugten Querräume, die vor allem als der „Predigt angemessenen protestantischen Kirchenraum angesehen“ wurden, berichtet.
Das bestens strukturierte Buch erzählt auch vom Umgang mit dem Gotteshaus im Laufe seiner Geschichte. So über die Beisetzung Friedrichs des Großen neben seinem Vater in der Gruft der Garnisonkirche, die ohne den Willen des Königs erfolgte. „Die Garnisonkirche wird ab jetzt ständig vereinnahmt und missbraucht; sie ist jetzt eine preußische Wallfahrtsstätte. Ob diese Entwicklung der Kirche recht ist, soll dahinstehen“, schreibt Bamberg. Umfassend berichtet der Autor über die pompösen Veränderungen im Innenraum unter den deutschen Kaisern: „Die Epoche reibt sich an dem Denkmal gläubiger Gesinnung und spartanischer Haltung des Erbauers“. Natürlich wird der verhängnisvolle „Tag von Potsdam“ am 21. März 1933 in der Garnisonkirche mit Hindenburg und Hitler beleuchtet, ihre Zerstörung im April 1945 sowie die endgültige Vernichtung im Jahre 1968 seitens der SED. Ludwig Bamberg bedenkt auch die Debatte um den Wiederaufbau der Garnisonkirche. Der Autor, der Mitglied der Fördergesellschaft für den Wiederaufbau der Kirche ist, plädiert für ein rekonstruiertes Gotteshaus. Sicherlich auch, um es als ein markantes Glied im städtebaulichen Ensemble zu integrieren. Dies gehört für Bamberg zu einem wichtigen Thema in dieser so erkenntnisreichen und sachlich fundierten Monographie.
Trotz des sparsamen Umgangs mit Geld, hat König Friedrich Wilhelm bei seinen Kirchenbauten in Potsdam ein Hohelied auf die Schönheit „gesungen“. Und davon kann die Stadt schließlich auch künftig nicht genug bekommen.
Ludwig Bamberg, Die Potsdamer Garnisonkirche, 206 Seiten, 170 Abbildungen, Lukas Verlag Berlin, 29,80 Euro.
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