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Kultur: Zuckersüß

Giora Feidman im Dialog mit dem Publikum

Stand:

Auf der Bühne des Nikolaisaals sitzen die Musiker der „Jerusalem Strings“, Dirigent Ilan Schul tritt auf , die bekannte Musik erklingt in zarten Tönen, von links und rechts kommen je ein Tänzer auf die Bühne und machen elegische Bewegungen der Suche. Sie scheinen nach Giora Feidman Ausschau zu halten, der jetzt auch kommt, dunkle Hose mit hohen schwarzen Stiefeln, weites weißes Hemd. Er steht auf der linken Seite und nimmt sich zurück, zart erklingt seine Klarinette und wird eins mit den Orchestertönen.

Aus den zwei Tänzern werden drei, die Tänzerin im rosaroten Spitzenkleidchen wird von den beiden Ballettmännern umgarnt, sie umwerben sich, während die Musik lauter wird und die Klarinette allmählich die Führung übernimmt. Das ist Allegro im besten Wortsinne, munter, fröhlich, freundlich. Ein bisschen bedarf die schwungvolle Choreographie der Gewöhnung, vor allem, wenn im Adagio, dem zweiten Satz, eine vierte Tänzerin im hautengen grauen Spitzenanzug in einen suchenden Dialog mit dem alten Mann der Klezmer-Musik eintritt: sie schwebt zu ihm hin, bewegt katzenhaft ihre Hände über seinem Kopf, als wolle sie den Geist von Mozart dort herausholen, seine Klarinette spielt auf sie zu, sie stellt sich hinter ihn und wartet auf Inspiration, die sie dann wieder nach vorne zur ihren Tanzkollegen treibt. Das Licht changiert von Blau zu Orange, die Paare finden sich im dritten Satz, dem Rondo Allegro, die männlichen Tänzer fungieren manchmal als bewegliche Haltepunkte, wo die Frauen ihre Ruhe finden, während samten die Töne sich an die Publikumsohren schmiegen. Am Ende liegen die vier Tänzer zum Orchester hin auf dem Boden. Ein schönes Bild einer Mozartinterpretation, wie man sie noch nie gesehen hat, überraschend und in ihrer Visualisierung manchmal etwas süßlich. Nach 35 Minuten die Pause, in die der Meister der Klarinette das Publikum mit Küsschen von der Rampe aus schickt, um dann wiederzukommen, jetzt mit einem roten Sakko, rechts die Ränge hinabsteigend, immer wieder verharrend, sein Instrument wie eine Zauberformel vor sich her tragend, manchmal ersterbend leise werdend, auch der Schweinwerfer-Sucher hat Mühe, ihn zu finden.

Als er die Bühne betritt, wird erstmals das Publikum mit einem A-Summen in die Musik einbezogen, auch bei „Donna Donna Donna“ (The Yiddish Mamme) singt und summt man in den Wolkensitzen mit in der Hoffnung, wieder die alte Stimmung zu erleben, als diese einzigartige Klarinette noch kraftvoll war. Diese Stärke ist selten zu hören, häufig sind die Geiger dominant und an der Grenze zum Kitsch, aber das Publikum ist nach dem „Best of“, durch Porgy and Bess und einem Mozart-Klarinettenquintett in so freundlicher Stimmung, dass es die leise vorgebrachte Friedensbotschaft Feidmans, die in einer Mixtur der israelischen, palästinensischen und deutschen Nationalhymne endet, jubelnd entgegennimmt und ihm stehend applaudiert. Lore Bardens

Lore Bardens

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