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Kultur: Zur „Rührung des Gemüthes“ Bachs „Osteroratorium“

in der Nikolaikirche

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Der Dichter Karl Wilhelm Ramler war im 18. Jahrhundert eine feste Größe im deutschen Geistesleben. Komponisten vertonten gern seine Texte, die weitgehend in der gefühlsseligen Sprache der Empfindsamkeit geschrieben wurden. Auch Carl Philipp Emanuel Bach, der zweitälteste Sohn des Leipziger Thomaskantors, war von den Versen des Dichters begeistert und komponierte „Die Auferstehung und Himmelfahrt Jesu“ als „dramatische Kantate“. 1778 fand die öffentliche Uraufführung in Hamburg statt.

Am Ostermontag wurde sie in der Nikolaikirche Potsdam zu Gehör gebracht. Für Kantor Björn O. Wiede, der sich in der brandenburgischen Landeshauptstadt immer wieder den Werken Carl Philipp Emanuel Bachs zuwendet, war der diesjährige 300. Geburtstag des Kammercembalisten Friedrichs II. und späteren Leiter der Kirchenmusik in Hamburg ein wunderbarer Anlass, „Die Auferstehung und Himmelfahrt Jesu“ direkt am Osterfest zu musizieren. Mit dem Nikolaichor, der Neuen Potsdamer Hofkapelle sowie den Solisten Heidi Maria Taubert, Benedikt Kristjansson, und Sebastian Bluth gab es eine beeindruckende Wiedergabe des Bachschen Werkes, das im Spannungsfeld der vorangegangenen Passionen seines Vaters, der opernhaften Oratorien Händels sowie der aufgeklärt-klassischen Oratorien Haydns steht. Carl Philipp Emanuel Bach selbst hielt das Werk für seine beste Komposition. Diese Meinung wurde auch von Mozart geteilt, der es in Wien ab 1788 mehrfach aufführte.

„Die Auferstehung und Himmelfahrt Jesu“ hat musikalisch auch einiges zu bieten: ein festlich besetztes Orchester mit mancherlei schwierigen Anforderungen für die Instrumentalisten, strahlende Triumph-Chöre, dankbare Arien, eine moderne Harmonik im Geiste der Empfindsamkeit und eine gesteigerte melodische Expressivität. Damit erhoffte Carl Philipp Emanuel eine echte „Rührung des Gemüthes“ beim Zuhörer zu erreichen.

Die Aufführung in der St. Nikolaikirche nahm vor allem durch ihre schwungvoll-lebendige Interpretation ein. Björn O. Wiede verzichtete auf spektakuläre Effekte, arbeitete mit Sinn für die schlicht-schöne Melodik des Werkes, ohne jedoch den Glanz des barocken Festgesangs aufzugeben. Um eine balancierte Klanggestaltung in dem akustisch nicht unproblematischen Gotteshaus zu erreichen, wurde der Chor vor dem etwas erhöhten Kammerorchester gestellt. Souverän und kraftvoll, manchmal zwar bis an die Kraftreserven grenzend, erfreuten die Choristen durch einen klaren, schlichten Klang. Die Neue Potsdamer Hofkapelle musizierte historisch informiert und setzte durch ihr beherztes Spiel farbenreiche Akzente.

Die drei Gesangssolisten sind in diesem Werk aber die Hauptakteure. Auch sie mussten sich Höchstschwierigkeiten stellen, vor allem der Tenor Benedikt Kristjansson sowie der Bariton Sebastian Bluth, die neben den Arien lange Rezitative zu bewältigen hatten. Bluth konnte durch seinen Gestaltungsreichtum gefallen, Kristjanssons edler Tenor verführte die Besucher zum Nicht-satt-hören. Auch Heidi-Maria Taubert gefiel mit ihren sicher geführten und klaren Sopran. Das innig gesungene Duett von Heidi-Maria Taubert und Benedikt Kristjansson „Vater deiner schwachen Kinder“ wurde an diesem Abend so zum Höhepunkt musizierter Empfindsamkeit. Klaus Büstrin

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