Kultur: Zurück in die Revolution Luc Paganon beim Potsdamer Orgelsommer
Musikhören ist nicht nur ein künstlerischer Genuss, sondern kann auch eine Zeitreise sein in die Geschichte. Konzerte können durchaus Bildungscharakter haben.
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Musikhören ist nicht nur ein künstlerischer Genuss, sondern kann auch eine Zeitreise sein in die Geschichte. Konzerte können durchaus Bildungscharakter haben. Das erhöht ihren Reiz. Das vierte Konzert des Internationalen Orgelsommers am Mittwoch in der Erlöserkirche war ein solches. Der Organist der Kathedrale in Sens, Luc Paganon, machte mit französischen Komponisten bekannt, die in den Strudel der Französischen Revolution von 1789 geraten waren.
Die Französische Revolution war auch eine große Propagandaschlacht, bei der es darum ging, das Volk von der jeweils vermeintlich richtigen Version der Ereignisse zu überzeugen. Sowohl Royalisten als auch Revolutionäre versuchten, das weitgehend des Lesens unkundige Volk auf ihre Seite zu ziehen. Dazu nutzten sie Musik, um ihre Botschaften schnell und einprägsam zu verbreiten. Auch die von Nicolas Séjan und Claude Balbastre, die als Organisten an der Kathedrale Notre Dame in Paris wirkten. Balbastre war vor der Revolution Cembalolehrer der Königin Marie Antoinette. Auch Guillaume Lasceux gehörte zu ihnen. Er war ebenfalls Organist in Paris, an der Kirche Saint-Étienne-du-Mont. Nach dem Sieg der Revolutionäre wurden beide Gotteshäuser umbenannt – einmal in „Tempel der Wahrheit“ , einmal in „Tempel der Frömmigkeits-Kinder“. Balbastre musste für dort vor allem Hymnen und Märsche komponieren und spielen.
Luc Paganon gab am Mittwochabend an der Schuke-Orgel eine kleine Kostprobe von Balbastres Musik – mit einem effektvollen Kriegsmarsch. Leider bildete der das Finale des Konzerts in der Erlöserkirche, sodass er einen seltsamen Nachklang verursachte. Nicolas Séjans Fuge in D-Dur, noch ganz im barocken Fahrwasser schwimmend, sowie Lasceux‘ mit italienischer Wärme und französischer Zartfühligkeit ausgestattete „Symphonic concertante“ leben vor allem von ihren schönen Melodien. Harmonisch kunstvoller und intimer im Klangbild sind die Werke Louis Couperins, der Hofmusiker bei König Ludwig XIV. war. Von ihm spielte Paganon in feiner Filigranarbeit die Fantasie „avec basse“.
Der Organist präsentierte sein Konzert nicht als das übliche „Vier-Gänge-Menü“, sondern als ein abwechslungsreiches Häppchen-Programm. Neben den französischen Komponisten kamen deutsche Musiker des 17. und 18. Jahrhunderts zu Gehör, Werke von Nikolaus Bruhns, Johann Pachelbel, Johann Sebastian und Sohn Carl Philipp Emanuel Bach. Auch ein klitzekleiner Ausflug ins 19. Jahrhundert hat Paganon unternommen, mit Felix Mendelssohn Bartholdys charmantem Andante in D. Musikalischer Höhepunkt war Bachs Toccata, Adagio und Fuge BWV 564. Mit seiner uneiligen Interpretation vermochte Luc Paganon souverän durch das polyphone Dickicht zu wandern, ohne holprige Spielchen bei der Registerauswahl zu veranstalten. Klar strukturierend und luzide war das zeitlose Werk zu vernehmen. Auch das Praeludium in G von Bruhns sowie Pachelbels Ciacona in f-Moll haben in der Wiedergabe des französischen Organisten eine geradlinige Klarheit und geistige Strenge erhalten. Eine spannende Reise musikalischer Entdeckungen. Klaus Büstrin
Das nächste Orgelkonzert findet am Mittwoch, dem 30. Juli, um 19.30 Uhr in der Friedenskirche Sanssouci statt
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