Kultur: Zurück ins Leben
In „Glückskind“ erzählt Regisseur Michael Verhoeven vom Glück eines Mülltonnenfundes
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Die Beziehung zu uns selbst ist eine der schwierigsten, die es gibt. Den Weg zu sich selbst finden, einer der steinigsten Pfade überhaupt. Ist dann noch die eigene kleine Welt völlig aus den Fugen geraten, das ganze Lebens- und Hoffnungskonzept zerstört, scheint es manchmal unmöglich, wieder in ein selbstbestimmtes Dasein zurückzukehren. Dann hilft oft nur ein starker Stoß von außen, um den Weg wiederzufinden. Manchmal reicht aber auch ein winziger, alles verändernder Moment – so wie in Michael Verhoevens aktuellem Film „Glückskind“. Am Dienstag wurde der Film im Rahmen des 1. Internationalen Filmfest Potsdam im Thalia Kino in Babelsberg vorgestellt. Neben Verhoeven waren dabei auch der Hauptdarsteller Herbert Knaup, seine Kollegen Naomi Krauss, Farida Shehada und Mohammad-Ali Behboudi sowie Kamerafrau Cornelia Janssen, der Fernsehjournalist Manfred Hattendorf und der Autor Steven Uhly, der die Romanvorlage zum Film geschrieben hat, anwesend.
Hans (Herbert Knaup) ist einer, der das Leben aus seinen Händen hat gleiten lassen. Seine Ehe ist schon lange geschieden, den Kontakt zu seiner einzigen Tochter hat er verloren. Er existiert in seiner verdreckten Wohnung vor sich hin, ist selbst für den Gang zum Arbeitsamt zu müde und kümmert sich weder um sich noch um andere. Dann findet er eines Tages ein Baby in der Mülltonne und alles wird anders. Getragen von einem nun aufkommenden Hoffnungsschimmer auf ein nicht ganz so einsames Leben nimmt er das Kind auf und übernimmt gleichzeitig wieder Verantwortung für sein eigenes Dasein. Er hört mit dem Rauchen auf, bringt seine Wohnung in Ordnung und knüpft sogar freundschaftliche Kontakte zu seinen Nachbarn (Naomi Krauss und Mohammad-Ali Behboudi). Immer enger wird seine Bindung an das Kind, das er Felizia getauft hat, doch irgendwo wartet eine Familie auf das kleine Glückskind und Hans muss sich schließlich der Realität stellen – auch seiner eigenen.
Verhoeven hat mit diesem Film ein modernes Märchen geschaffen, das es schafft, jeglichen Kitsch aus der Geschichte rauszulassen, was vor allem der guten Romanvorlage zu verdanken sei, wie Verhoeven sagte. „Dieses Buch ist so gut geschrieben, neben all dem Wunderbaren immer auch an der Realität dran – ganz großartig“, so der Regisseur. Ganz ruhig erzählt der Film dabei die Geschichte eines Mannes, der fast wie das Kind, das er beschützt, Schritt für Schritt in ein neues Leben tritt und einen neuen Anfang wagt. Getragen wird die Geschichte vor allem von Hauptdarsteller Knaup, der – wie Verhoeven sagte – auch erste Wahl für die Rolle war. Für den Schauspieler, der diese Woche auch gerade in Potsdam seinen neuen Roadmovie „600 PS für zwei“ dreht, war die Rolle eine Herausforderung. „Dieser Mann, der am Rand der Gesellschaft lebt, das unterscheidet sich schon von meinen sonstigen Rollen“, sagte er. „Aber durch viele Gespräche mit dem Regisseur bin ich da reingekommen – und die äußerliche Veränderung, also der Bart, hat natürlich auch geholfen.“ Für ihn sei das Großartige an dieser Rolle gewesen, dass sein Charakter durch das Kind wieder zu sich selbst findet. Diese Entwicklung spielt er zart und dabei doch nachdrücklich. Fast wird der Film dadurch zu einem Kammerspiel zwischen ihm und dem kleinen Mädchen, das Knaup während der Dreharbeiten tatsächlich sehr ins Herz geschlossen hat. „Wir haben ja mit Zwillingen gedreht, wobei ich mit einer der beiden öfter zu tun hatte“, so der Schauspieler. „Die waren beide so lieb, es war eine Freude, mit ihnen zu spielen, wie überhaupt mit dem ganzen Team.“ Das Zwillingspaar sei durch ein Casting ausgewählt worden, wie Verhoeven sagte. Dabei hätte er auch viel Glück mit den Eltern gehabt, die bereit waren, bei den Dreharbeiten dabei zu sein.
Insgesamt 24 Tage dauerte der Dreh, der größtenteils im Studio stattfand. „Das ist heutzutage ja schon eine Spitzendrehzeit“, so Verhoeven. „Aber wir hatten etwas Angst, dass wir das mit den Babys nicht schaffen. Was sich dann aber als völlig unbegründet herausstellte.“ Das einzige Problem bestand darin, dann zu drehen, wenn die Kinder laut Drehbuch weinen mussten. Dafür habe die Filmcrew dann immer die kurzen hungrigen Momente ausgenutzt, in denen die Babys nach Milch verlangten, wie der Regisseur lachend erzählte.
Michael Verhoeven selbst schätzt am meisten die Ehrlichkeit des Films und die Spannung, welche die Geschichte mit sich bringt. Die hat er trotz aller Ruhe tatsächlich, doch vor allem gibt „Glückskind“ Hoffnung. Hoffnung darauf, trotz aller widrigen Umstände wieder in das Leben, wieder zu sich selbst zurückzufinden.
„Glückskind“ läuft am 12. Oktober um 14 Uhr noch einmal im Thalia und am 26. November um 20.15 Uhr in der ARD. Weitere Informationen zum Programm unter www.filmfestpotsdam.de.
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