Kultur: Zwischen den Welten
Heute hat im Hans Otto Theater Shakespeares „Ein Sommernachtstraum“ Premiere
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Wenn die Zuschauer sich langweilten, warfen sie wütend mit Orangenschalen auf die Darsteller. Man war nicht zimperlich in der Elisabethanischen Zeit. Da ging es auch einem Autor wie Shakespeare an den Kragen, wenn er nicht gut zu unterhalten wusste. Kein Wunder, dass er mit Herz und Schmerz und tiefer Leidenschaft seine Stücke füllte. Besonders in seiner Komödie „Ein Sommernachtstraum“ lässt er die Gefühle brodeln: Zwischen Tag und Traum entfachen sich ungeahnter Liebeszauber und dunkle Abgründe.
Die seit 14 Jahren in London lebende deutsche Regisseurin Patricia Benecke hat den Sommernachtstraum schon oft gesehen. „Man spielt Shakespeare hier schließlich an jeder Ecke.“ Doch sie selbst hat sich seiner bislang noch nicht angenommen. Es ist ihr erster Shakespeare, den sie heute am Hans Otto Theater zur Premiere bringt. „Natürlich kann man den Sommernachtstraum nicht neu erfinden, aber man sollte schon einen ganz eigenen Blick darauf werfen.“
Für sie steckte gleich in den ersten Sätzen der spannendste Konflikt: Wenn Theseus, der Herzog von Athen, zu Hippolyta, der Königin der Amazonen, spricht: „Gefreit habe ich um Dich mit Waffen.“ Er habe sie in despotischer Manier erobert, ja geraubt. „Was sich in der Tagwelt am Athener Hof so patriarchalisch ereignet, spiegelt sich in der Waldsituation als Traumverzerrung wider. Dort sind die Elemente außer Rand und Band. Die Liebenden sind enthemmter und unerschrockener und entdecken Seiten an sich und den anderen, über die sie sich nur wundern. Aber es sind Seiten, die auch zu ihnen gehören.“ Shakespeare habe ziemlich gnadenlos die verschiedenen Spielarten der Liebe erforscht. Und Patricia Benecke nimmt sich dieser nun psychologisch an. „Wenn denn Liebe überhaupt so ergründbar ist. Eigentlich ist sie dem Wahnsinn ähnlich. Dennoch wollen wir die Motivation von Theseus und Hippolyta, Hermia und Lysander, Demetrius und Helena, Oberon und Titania verstehen.“ Alle Paare seien in problematischen Beziehungen. „Am Ende aber haben sie im besten Fall etwas über sich und den anderen gelernt.“
Obwohl sie in konfliktbeladene Abgründe schaut, versuche sie auch immer Leichtigkeit in ihre Inszenierungen zu bekommen. Es geht der 39-jährigen Künstlerin um erfrischendes Theater – so wie zu Shakespeares Zeiten, auch wenn inzwischen das Publikum nicht mehr zu Orangenschalen greift. In ihrer Wahlheimat gehe es unter den Zuschauern jetzt eher vornehm zu, schlagen weder Frust noch Freude „ungebührlich“ Wellen. Aber es gebe ein enormes Interesse an Theater, auch an den neuen deutschen Stücken, die sie dort inszenierte, während sie in Deutschland neue englischsprachige auf die Bühne bringt. Sie fühle sich wie eine Botschafterin und es störe sie keineswegs, immer mal wieder über den Kanal zu tingeln. Ihr Freund, „der Engländer ihres Lebens“, habe dafür Verständnis, schließlich ist er selbst am Theater.
Dass sie jetzt am Tiefen See gestrandet ist, hat mit Uwe Eric Laufenberg zu tun. „Er war schuld, dass ich Regisseurin werden wollte“, sagt sie lächelnd. Sie studierte gerade Theaterwissenschaft, Germanistik und Politik, als sie in Köln seine „Merlin“-Inszenierung sah, die in ihr Funken schlug. Während ihres Auslandssemesters in London hatte Patricia Benecke bald ausreichend Gelegenheit, sich selbst im Inszenieren zu versuchen. Die Stadt wurde zu „ihrer“ Bühne. Sie fühle sich aber in beiden Theaterlandschaften wohl. „Das deutsche Stadttheaterkonzept ist fantastisch. In England hat man indes keine festen Ensembles. Außerdem wird en suite gespielt, weil es kostengünstiger ist. Experimente gibt es nur im bescheidenen Maße. Dafür sind die Strukturen nicht so starr wie hier. Für mich ist beides in Ordnung, gerade im Wechsel. Ich bleibe die Reisende zwischen den Welten.“ Heidi Jäger
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