Kultur: Zwischen Freudensprüngen und Weinkrämpfen
Andreas Veiel stellte im Aktuellen Potsdamer Filmgespräch seinen neuen Dokfilm „Die Spielwütigen“ vor. Er beobachtet Studenten der Schauspielschule
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Andreas Veiel stellte im Aktuellen Potsdamer Filmgespräch seinen neuen Dokfilm „Die Spielwütigen“ vor. Er beobachtet Studenten der Schauspielschule Von Babette Kaiserkern Manche Dinge brauchen eben länger, bis etwas dabei herauskommt. Sieben Jahre lang begleitete Dokumentarfilmer Andreas Veiel vier Schauspielschüler der renommierten Ernst-Busch-Schule in Berlin bei ihrem Werdegang. Entstanden ist dabei der anrührende und gedankenreiche Film „Die Spielwütigen“, der auf der diesjährigen Berlinale den Panorama Publikumspreis erhalten hat. Nach der Preview im Filmmuseum Potsdam stellte sich Regisseur Andres Veiel den Fragen von Regisseur Andreas Dresen („Halbe Treppe“, „Nachtgestalten“). Von den Vorbereitungen für die Aufnahmeprüfung über die knallharte Ausbildung bis hin zum ersten Engagement erlebt der Zuschauer die Entwicklung der vier Protagonisten hautnah mit. Trotz großer Zeitsprünge und überaus dichter Erzählstruktur – aus 250 Stunden Material entstanden 102 Minuten Film – lässt sich die Kamera immer wieder Zeit, um auf den Gesichtern von Constanze, Karina, Stephanie und Prodromos zu verweilen. Erschöpfung, Mutlosigkeit, Zähigkeit, Energie, Humor, Selbstzweifel und Selbstvertrauen sowie – nicht zuletzt – eine ungebändigte Spielwut – zeigen sich auf diesen Gesichtern mit einer im Kino selten zu sehenden Offenheit und Ehrlichkeit. Wenn nach der Entscheidung über die Aufnahmeprüfung die Nerven blank liegen, und einige in hemmungsloses Lachen und Freudensprünge ausbrechen, während andere von heftigen Weinkrämpfen geschüttelt werden – erlebt auch der Zuschauer ein intensives Wechselbad der Gefühle. Konsequent nimmt der Film die Perspektive der Protagonisten ein, auch Konflikte mit der traditionsreichen Schauspielschule und ihren Dozenten bleiben nicht außen vor. „Die Spielwütigen“ ist kein Dokumentarfilm aus der neutralen Vogelperspektive, da Regisseur Veiel seine Anteilnahme und seine Vorstellungen bewusst mit einbrachte. Über die Methode der „teilnehmenden Beobachtung“ hinaus, die dem studierten Psychologen Veiel vertraut ist, „inszenierte“ er so nicht bloß einen Film, sondern auch ein bisschen das Leben seiner Protagonisten. Selbst nachdem Stephanie durch zahlreiche Aufnahmeprüfungen gefallen war, trainierte Veiel weiter mit ihr und ermutigte sie, weiterzumachen. Denn er war, wie er im Filmmuseum berichtet, von ihrer schauspielerischen Begabung überzeugt. Er glaubte an sie – und wohl auch an sein Filmprojekt. Mit Erfolg, denn beim zweiten Versuch an der Ernst-Busch-Schule kam Stephanie an. „Ich wollte zeigen, wie hart es ist, nach oben zu kommen“, meint Andres Veiel zu seinem Film, den er für einen „Gegenentwurf zu den Durchlauferhitzer-Shows“ hält. Die Grenzen zwischen Dokumentarfilm und Spielfilm verschwimmen in den „Spielwütigen“ kaum merklich, so wie auch das Leben der Schauspieleleven ständig auf dem schmalen Grat zwischen Fantasie, Fiktion und Realität hin und her pendelt. Natürlich gab es dramaturgische Eingriffe und Vorgaben von seiten des 1959 geborenen Regisseurs, der mit seinen vorigen Filmen, darunter „Black Box BRD“, schon viele Preise gewonnen hat. Auch die Pianomusik verbreitet in den „Spielwütigen“ über die dokumentarische Präzision hinaus poetische Stimmungen. Nicht zuletzt die ungekünstelte Offenheit der Darsteller (Constanze Becker, Karina Plachetka, Stephanie Stremler, Prodromos Antoniadis) verleiht dem Film eine sehr wahrhaftige Aura – vier junge Menschen, die bei einem extrem harten Ausleseprozess ihren Weg suchen und finden. Aufschlussreiche Szenen aus Unterricht, Prüfungen und Auftritten bis hin zu Prodromos amüsantem Erscheinen bei einer Agentur in New York und die kurzen, bewegenden Szenen aus dem Privatleben runden das Panorama der zielbewussten Suche überzeugend ab. Er habe einen Film über das Erwachsenwerden machen wollen, sagt Regisseur Andreas Veiel. Jedes Ding braucht seine Zeit. Andreas Veiel hat die Zeit genutzt und einen überaus sehenswerten Film geschaffen.
Babette Kaiserkern
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