Kultur: Zwischen Olé und So lala Spanisches
in der Erlöserkirche
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„Warum in die Ferne schweifen, sieh’, das Gute liegt so nah“, lobpreist ein Goethe-Zitat. Beispielsweise in der Erlöserkirche. Zwei Spielzeiten lang konnte man mit dem Neuen Kammerorchester unter sachkundiger Anleitung von Ud Joffe eine musikalische Reise quer durch Europa erleben. Mit „Spanien – Don Quixote“ war am Donnerstag im gut besuchten kirchlichen Konzertraum das Reiseziel und damit auch das Finale der Saison erreicht, gleichzeitig auch voller Stolz das zehnjährige Bestehen des Orchesters begangen. Es sei durchaus beabsichtigt, so Trägervereinsvorsitzender Christian Seidel zuvor, dass sich dem hochgeschätzten Publikum die Abenteuer des Ritters von der traurigen Gestalt mit der Entstehungsgeschichte des Orchesters assoziieren mögen.
Doch zunächst darf man in eine heile Welt hineinhorchen – in die des blinden Joaquin Rodrigo (1901-1999) und eines seiner Frühwerke, der 1923 entstandenen „Canzoneta“ für Violine und Streicher. Sie beschreibt höchst melodienselig vergangene Zeiten, imaginiert die Welt der Troubadoure, als sie ihrer Angebeteten ein schmachtendes Ständchen darbieten. Wolfgang Hasleder fühlt sich in dieser Saitenfunktion hörbar wohl, der einer imaginären Dulcinea die Empfindungen seines Herzens zu Füßen legt. Edel ist sein Ton, sauber intoniert, mit sehnsuchtsvollem Streichergesang garniert.
Die Beschwörung guter alter Zeiten spürt man auch in dem 1940, nach Ende des spanischen Bürgerkrieges, geschriebenen „Concerto de Aranjuez“ für Gitarre und Orchester. Mit dieser Komposition setzt schlagartig der Weltruhm des Komponisten ein. Schon allein der Titel: Aranjuez, Name der Sommerresidenz spanischer Könige in der Nähe von Madrid. Er weckt Erinnerungen an weitläufige Gärten, flimmernde Luft, sprudelnde Brunnen Zu dieser Atmosphäre des Raffinements gesellen sich folkloristische Zutaten des Flamenco. Leidenschaftlich, lebendig und elegant sollte klingen, was diese Melange verheißt. Doch die Solistin Liat Cohen vermag es nicht immer, solchen verführerischen Zauber zu erzeugen. Hell und klar ist ihr Ton. Sie schlägt rauschende, harfenähnliche Akkorde, zupft präzise einzelne Töne und liebt gemeinsam mit den Musikern einen sehr entschlackten Sound. Romantische Schwärmerei und Liebesschmachten ist ihre Sache nicht, eher die konzentrierte Kopfarbeit. Flamencofeuer und hinreißende Notenhingabe bleiben ein wenig ausgespart. In den Zugaben, darunter „Asturias“ von Albeniz, begeistert sie dann mit dynamischen Feinstarbeiten, Klangfarbenfinessen, gestalterischem Eifer.
Endlich, nach der Pause, darf man sich an den Eskapaden des Don Quixote erfreuen, die Mime Hans-Jochen Röhrig als Erich Kästners witzig-ironische Romanbearbeitung des Cervantes’schen Originals vorliest. Zunächst schnellsprecherisch und dadurch schwer verständlich, später zwar langsamer, aber noch immer höranstrengend. Man nimmt am Kampf gegen die Riesen, später gegen die Windmühlen teil, weiß Röhrigs theatralisches Gespür für sprachliche Wirkungen zu schätzen. Dazwischen erklingen stimmungspassende Auszüge aus „Das kurze Leben“, „Der Liebeszauber“ und „Der Dreispitz“ – allesamt von Manuel de Falla. Musiziert werden sie auf sehr kultivierte, straffe, tänzerisch draufgängerische, zwischen Leidenschaft und lyrischer Versenkung pendelnde Weise. Fazit der Zweijahresreiserei: Europa hat schon was zu bieten. Das Neue Kammerorchester aber auch.
Peter Buske
Peter Buske
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