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Was leer steht, kann mit Kunst gefüllt werden. Michael M. Heyers hat nach Gebäuden und Grundstücken gesucht, die, umgebaut oder rekonstruiert, als Ausstellungsräume dienen könnten – und sei es nur für wenige Momente.

© Michael M. Heyers

Kultur: Zwischen Palast und Platte

Künstler aus dem Atelierhaus Panzerhalle suchen vier Tage lang in der Innenstadt nach Platz für Kunst

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97 kleine Luftschlösser werden sich am Ende wie eine zarte Dornenhecke um den Potsdamer Landtag emporranken – bevor sie schließlich in den Himmel entlassen werden. Der Frage, wer die wahren Luftschlösser in der Stadt baut, wird damit wieder einmal neues Leben eingehaucht, beantwortet wird sie damit noch lange nicht sein. Die Installation der Potsdamer Künstlerin Frauke Danzer soll Teil und Abschluss des viertägigen Kunstprojekts „Faszinantion und Fassade“ sein, das vom 28. bis 31. August in der Innenstadt stattfindet. Um Fassaden wird es dabei auch gehen – vielmehr aber noch darum, was dazwischen passiert.

Landtagsschloss und Fachhochschule etwa: Sie stehen so eng beisammen, dass alles, was zwischen ihren Mauern passiert, sie automatisch in Bezug setzt, zwei Antipoden im Potsdamer Stadtbild. Selten aber werden sich Kunst und Stadtpolitik dort so sehr vermischen wie bei dem des Neuen Atelierhauses Panzerhalle. Die 15 beteiligten Künstler werden die Innenstadt zum Ausstellungsraum und Podium zugleich machen. Denn genau dort, so schreiben sie, liegen die neuralgischen Orte der Stadt: Neben Fachhochschule und Stadtschloss auch der Brauhausberg, oder das von vielen weggewünschte Staudenhof-Ensemble.

„Zeugnisse der DDR-Architektur verschwinden aus dem Stadtbild, Neubauten mit barocken Fassaden dominieren es zunehmend“, so die Künstler. Ob das nun gut oder schlecht ist, sei erst einmal dahingestellt, die Kreativen sehen damit verknüpft aber noch einen dritten Trend – oder eben Nicht-Trend: Die zeitgenössische Kunst, finden sie, sei in der Stadt noch immer marginalisiert.

Die Kunsthalle, die der Potsdamer SAP-Chef und Mäzen Hasso Plattner in der Fassade des Palast Barberini bauen lässt, ändere daran wenig, sagt Petra Stegmann, die Kuratorin des Projekts. „Viele in Potsdam glauben, dass mit dem Barberini eine Ausstellungsfläche für zeitgenössische Kunst entsteht – doch so toll das Vorhaben Plattners ist, es bleibt ein privates Museum mit einem eigenen Schwerpunkt.“ Und der wird nicht allein auf Zeitgenössischem liegen: Das Museum soll mit einer Ausstellung der französischen Impressionisten eröffnen. Dagegen sei gar nichts einzuwenden, eine Landeshauptstadt aber müsse auch Raum für Ausstellungen aktuell interessanter Künstler von außerhalb bieten. Das frühere Restaurant Minsk findet sie, sei durchaus gut geeignet. „Der Punkt ist, im Moment wird wahnsinnig viel mit historisierenden Fassaden gebaut, anderes verschwindet.“

Aber gibt es tatsächlich einen Zusammenhang zwischen dem Verschwinden von DDR-Architektur, dem Nachbau barocker Fassaden und dem Mangel an Räumen für zeitgenössische Kunst? „Das ist natürlich keine Kausalkette, aber das sind alles Punkte, die die Künstler beschäftigen – und in der Umsetzung hat sich das dann organisch verbunden“, sagt Petra Stegmann. Und klar, am Ende geht es immer darum, wie wohl sich die Menschen in ihrer Stadt fühlen. Damit beschäftigt sich auch Beret Hamann in ihrer Performance „Tell me your Story“. Sie sucht dazu den Staudenhof – einen „der letzten verwunschenen Orte der Innenstadt“ auf. Zwischen seinen grünen Bäumen und Büschen passiert gerade viel: Flüchtlinge und Alteingesessene wohnen dort seit kurzem zusammen, Hamann will ihre Geschichte hören. „Für 24 Stunden quartiere ich mich dort ein, verlagere mein weißes Gitterbett auf den Hof und warte, wie eine Prinzessin aus „1001 Nacht“, auf das, was möglichst viele Menschen mir über sich erzählen.“ Dabei kann es um alles gehen, um Toleranz, Zusammenleben, um die immer schicker werdende Innenstadt – oder etwas ganz anderes.

Auch Carsten Hensel wird während „Faszination Fassade“ in ein kleines Biotop der Stadt vordringen: Jeweils 50 Besucher lädt er in den Tagungsraum im 17. Stock des Hotel Mercure, wo – mit Aussicht gen Osten – Performances und Gesänge stattfinden. Genaueres weiß auch Petra Stegmann noch nicht: „Es ist aber ein schönes Setting, das Hotel als Kunstort, das ist ja selten und hat in diesem Fall noch eine spezielle Volte wegen der Diskussion um den Abriss des Gebäudes.“

Mit dem Streit um einen Wiederaufbau, nämlich den der Garnisonkirche, wird sich Sandra Riche unter anderem beschäftigen. Für ihr Projekt „Die Träumereien des einsamen Spaziergängers“ lädt sie Potsdamer ein, all das zu fotografieren, was polemisch aufgeladen ist. Die Bilder werden mit vermeintlich trockenen, an Sprachbücher erinnernde, Texten versehen – die in Wahrheit aber durchaus hinterhältig oder ironisch sind.

„Trotz aller Auseinandersetzung mit aktuellen politischen Debatten dürfen wir uns natürlich nicht von den verschiedenen Bürgerinitiativen vereinnahmen lassen“, sagt Petra Stegmann. Aufgabe der Kunst ist es schließlich, zum frei schwebenden Denken einzuladen – nicht, Aktionismus und Entscheidungen zu forcieren. Eine Haltung – etwa zum aktuellen Streit um die Skulpturen im Innenhof des neuen Landtags – hat sie aber doch: „Die Arbeit von Florian Dombois ist natürlich ästhetisch herausfordernd – ich aber finde sie ganz wunderbar“, sagt Petra Stegmann. Befremdet ist sie lediglich von der Diskussion darüber, wie lange die kleinen Sanssouci-Kopien denn nun dort stehen bleiben dürfen: So viel Freiheit für die Ideen von Künstlern, noch dazu, wenn sie von einer Kunstkommission ausgewählt wurden, müsse es schon geben. „Wir leben ja nicht in einem totalitären Staat.“

„Faszination und Fassade“ findet vom 28. bis 31. August am Alten Markt, am Staudenhof und auf dem Brauhausberg statt. Das gesamte Programm finden Sie unter www.faszinationundfassade.tumblr.com

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