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Selbst der Koffer mit weißem Rand. Das Bühnenbild von Andreas Rehschuh ist eine Augenweide mit seiner bis ins Detail genauen Schwarz-Weiß-Ästhetik. Diese Konsequenz lässt die Inszenierung ansonsten leider vermissen. Es spielen Studenten der Filmuniversität, Jaqueline Sophie Pawliczek als Elisabeth und Björn Ingmar Böske (Mitte) als Jorgos.

© HL Böhme

Premiere am Hans Otto Theater: Zwischen Schlager und hipmodern

Premiere am Hans Otto Theater: Andreas Rehschuh inszeniert mit Fassbinders „Katzelmacher“ ein düsteres Kammerspiel.

Stand:

Das Stück scheint ideal für eine Inszenierung mit Schauspielstudenten: „Katzelmacher“ von Rainer Werner Fassbinder aus dem Jahre 1968 handelt ausschließlich von jungen Erwachsenen. Darsteller in Ausbildung mit Anfang, Mitte 20 dürften in etwa so alt sein wie die Figuren der Vorlage. Vor zwei Jahren hat die Berliner Schauspielschule „Ernst Busch“ sich des Stückes angenommen und in der „Schaubühne“ aufgeführt. Nun inszenierte auch das Hans Otto Theater in seiner jährlichen Koproduktion mit der Filmuniversität Babelsberg „Konrad Wolf“, dem 3. Studienjahr Schauspiel, das düstere Kammerspiel. In der Regie von Andreas Rehschuh hatte das Stück am Donnerstagabend Premiere.

Ein Dorf bei München in den 1960er- Jahren. Für die Jugend gibt es weder Arbeit noch Geld. Dabei träumen die jungen Erwachsenen gerade von Letzterem. Doch statt etwas zu werden und in ersehntem Wohlstand und Reichtum zu leben, langweilen sie sich in der Gruppe, öden sich an, saufen und neiden der Einzigen ihres Alters, Elisabeth Plattner, dass sie es geschafft hat, Geld und Macht besitzt. Als die Plattner für ihre Wundertüten-Fabrik auch noch den sogenannten Fremdarbeiter Jorgos aus Griechenland ins Dorf holt, bricht der Hass und die Gewalt aus dem trostlosen Gefüge.

Leider noch aktuell

Fassbinders Stück und der gleichnamige Film ein Jahr später entstanden zu einer Zeit, als die ersten italienischen, türkischen, griechischen Gastarbeiter – damals abschätzig als Katzelmacher betitelt – nach Westdeutschland kamen, um das Wirtschaftwunder am Laufen zu halten. Der mögliche Widerhall des Stückes heutzutage liegt auf der Hand. Das Stück sei „leider heute noch wahnsinnig aktuell“, sagte Regisseur Andreas Rehschuh kürzlich in einem Interview.

Doch Rehschuhs Inszenierung ist der beste Beweis dafür, dass Fassbinder zwar zeitlos ist, dieses Zeitlose aber nicht von jeder Inszenierung eingefangen wird. Wie soll man Fassbinder heute auch begegnen? Bleibt man werkgetreu, muss man all das Beklemmende, die getragene Künstlichkeit des Fassbinderschen Stils und die Behäbigkeit der Zeit aufgreifen. Oder man entscheidet sich für eine radikale Aktualisierung des Stücks. Rehschuh jedoch bleibt irgendwo dazwischen stecken, unentschieden zwischen dem damals und dem heute.  

Die Verbindung zum Heute stellt sich nicht ein

Dabei beginnt der Theaterabend in der Reithalle durchaus vielversprechend: Mehrere Paare stehen getrennt voneinander auf der kargen, im Dunkel gehaltenen Bühne, sie führen einen knappen Schlagabtausch über Geld, Besitz, Wohlstand. „Eine Liebe und so, das hat immer was mit Geld zu tun“, heißt es etwa. Das Gesprochene wiederholt sich wie in einer Endlosschleife, markiert den Rhythmus der Eintönigkeit und des Stumpfsinns, und steigert sich an Schnelligkeit bis ins Absurde.

Doch diese Atmosphäre der Künstlichkeit und der stilisierten Langeweile hält Rehschuh nicht durch. Und auch die Bezüge zur Jetzt-Zeit wollen sich nicht so recht einstellen, zu unterschiedlich sind die gesellschaftlichen Ausgangslagen: Der Kontrast in den 1960er-Jahren zwischen biederer Moral, Angst und Sehnsucht nach dem Fremden zugleich trifft nicht den Punkt der heutigen Ressentiments.

Andreas Rehschuh setzt lieber auf einfache Effekte, auf das Klamaukhafte, auf das Ausspielen, wo Andeutungen gereicht hätten. Das mag daran liegen, dass Schauspielstudenten nun mal ihr Können unter Beweis stellen und verschiedene Spieltechniken auf die Bühne gebracht werden sollen. Dem Stück wird man damit aber nicht gerecht. So etwa in einer der noch eindrucksvollsten Szenen: Gegen Ende des Stückes, kurz bevor die Wut, die sexuelle Frustration und der Neid auf den Griechen („Wie sieht er aus?“ – „Besser als wir“) sich ihren freien Lauf suchen und sie Jorgos brutal zusammenschlagen, rutschen die Jugendlichen allesamt mit gefalteten Händen auf Knien in die Mitte der Bühne. 

Effekt brutal - Wirkung verpufft

Es ist ein Kirchgang wie mit abgeschnittenen Beinen. Die Barhocker stapeln sich vor ihnen wie zu einem Kreuz. Aus dem Off ertönt der Schlusssatz aus Bachs „Jesu, meine Freude“. Das wirkt mächtig in seinem Kontrast zu der zuvor erklungenen Schlagerdudelei von Caterina Valente. Statt es dabei zu belassen, rezitieren die Schauspieler unisono den Bachschen Text von „Wie soll ich dich empfangen“, zuerst gemäßigt, dann immer lauter werden bis hin zum Publikum gewandten Gebrüll aus voller Kehle. Die Schauspieler können stimmlich zeigen, was sie auf dem Kasten haben, der Effekt jedoch ist brutal, die Wirkung verpufft.

Immerhin: In Bühnenbild (Andreas Rehschuh) und Kostümen (Grit Walter) zeigt die Inszenierung ihre Stärken: Konsequent und bis ins kleinste Detail sind beide auf hipmodern schwarz-weiß reduziert, dass es eine Augenweide ist. Aber vom Meister der Kammerspiele bleibt wenig, wenn man ihm das Essenzielle nimmt und das Gefühl einer Zeit – sei es damals oder heute – sich nicht auf den Zuschauer überträgt. Nur ein bisschen Fassbinder funktioniert eben nicht.

„Katzelmacher“, Hans Otto Theater Potsdam, Reithalle. Nächste Vorstellungen am 17. Dezember und 21., 22. Januar 2016.

Grit Weirauch

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