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Verwandlungen. Trug- und Angstbilder in „momentum“.

© T-Werk

Kultur: Zwischen Traum und Erwachen

„momentum“ aus den Niederlanden und „Die Kaffeetrinkerinnen“ aus Belgien bei Unidram

Stand:

Unidram-Tag Nummer zwei, Waschhaus: Hier zeigten Ananda Puijk und Charlotte Puijk-Joolen aus den Niederlanden das fünfzigminütige „momentum“. Die sehr dunkle, stumme und äußerst behäbige Eigenproduktion aus Mensch, Puppe und Stoffen, aus Kindheitsfragmenten und Erwachsenen-Ängsten, aus inneren und äußeren Lebens-Teilchen, aus Herzpochen und grummelnden Celloklängen erzählt sehr langatmig von einem Mädchen in einem engen Raum, dessen Teile sich mal selbständig machen, wie auch ihre Erinnerungen plötzlich Figur und maskenhaft Gesicht bekommen. Ein herzzerreißender Abschied von daheim. Das aufgeblähte Kleid deutet dann Lebensstürme und geistige Seenot an. Ihr Spielpüppchen hilft, bis es auf und davonfliegt, sie hinterdrein. Momentum – welche Not eigentlich?

Ananda Puijk spielte in ihrer Mini-Kemenate doch Staunen und Anwesenheit, aber nicht Schrei und Bedrängnis, kaum gar den Raum! Zu viel szenische Redundanz, alles so hehr und steril, nur deshalb gruselte es einem, sonst nicht. Kein Temperament, kein Leben in diesen sentimentalen Kindheits-Mustern zwischen Traum und Erwachen. Dafür „symbolte" es im „visuellen Theater“: Riesenhaft blähte das Kleid, blutigrot schwoll Brokat vom Puppenleib der Mutter. Vielleicht eine Hommage an die echte? In der Darstellung also langweilig, konzeptionell uninteressant, mehr Spielerei als Theater. Es hätte einer ganz anderen Spielweise bedurft, diesen Stoff in Poesie zu verwandeln. Gerold Paul

Kalter Kaffee

Nach der fulminaten Aufführung von „Kleist: heute“, die am Mittwoch noch einmal vor vollem Haus gespielt wurde, muss man sich erst einmal auf die sparsame Szenerie der „Kaffeetrinkerinnen“ einlassen. Kälte schlägt dem Zuschauer in der „fabrik“ entgegen. Zwei Frauen mit blondiertem Haar und rosa Kostümjacken sitzen wie geklont an eckigen, weißgedeckten Tischen und gießen sich Kaffee ein. Die Bühne erinnert an eine Hotellobby: Das Neonlicht an den schweren Vorhängen verströmt Distanz und Anonymität. Das Frauen-Double gibt sich künstlich wie Barbiepuppen: angepasst bis zur Selbstaufgabe. Es spreizt sich in seinen andressierten Posen. Doch dann greifen sich die Frauen unter die Arme: Eigenes Blut klebt an den Händen. Es steckt also doch noch Leben in ihnen. Sie wechseln ihre blonden Perücken mit schwarzen, schwingen sich auf zu Königinnen der Nacht. Es gibt eine Bettszene im erotisch roten Licht. Doch auch hier stellt sich keine Wärme ein. Die verruchte Szene mit den sich hingebenden Frauen ist unwirklich und verwirrend.

Das Bewegungstheater der Compagnie Mossoux-Bonté aus Brüssel ist eine Kopfgeburt, das Herz bleibt außen vor. Doch strapazieren die Spielerinnen ihre künstlich anmutenden Eskapaden nicht über. Nach 30 Minuten ist der Kaffee ausgetrunken oder verschüttet, das aufputschende Koffein verbraucht. Und so wie dieser unheimliche, obzessive Traum verflüchtigen sich auch die Bilder alsbald im Nichts.Heidi Jäger

Gerold Paul

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