zum Hauptinhalt
Verzweifelter Kampf um die Liebe. Dennis Herrmann in der Titelrolle des Don Carlos und Meike Finck als Hofdame Eboli.

© HOT/HL Böhme

Kultur: Zwischen Verrat und Intrigen

Schillers „Don Carlos“ hat am Donnerstag am Hans Otto Theater Premiere

Stand:

Sie kannten sich vorher nur vom flüchtigen Hallo in der Kantine. Und nun, bei dieser ersten Probe, stand Dennis Herrmann plötzlich in Unterhosen vor ihr – sie vor ihm knieend, sich ihm anpreisend. „Das ist schon einer von den schrägen Berufsmomenten“, sagt Meike Finck, die ab morgigen Donnerstag am Hans Otto Theater in Schillers Tragödie „Don Carlos“ die Hofdame Eboli spielt und dabei dem jungen Carlos ganz schön an die Wäsche geht. „Da fühlt man sich als Frau irgenwie komisch. Aber Markus Dietz, der Regisseur, hat eine so angst- und schamfreie Zone geschaffen, dass einfach das Vertrauen da war, diese Situation lustvoll spielen zu können.“

Die Chemie habe von der ersten Sekunde an zwischen ihnen gestimmt und wenn sie jetzt diese Entkleidungsszene spielen, können sie auch viel lachen, sagt die berufserfahrene Meike Finck und der in seiner ersten so großen Rolle agierende Dennis Herrmann während einer Probenpause.

Ansonsten gibt es in diesem dramatischen Gedicht, das Schiller 1787 am Vorabend der Französischen Revolution schrieb, nicht viel zu lachen. Es geht um Verrat, Intrigen, Inquisition. Um die Glückssuche des Einzelnen und wie er sich in den Zwängen der Macht verstrickt. Vor dem Hintergrund der Ereignisse am spanischen Hof im 16. Jahrhundert zielte Schillers Vision einer humanistischen Menschenrepublik auf seine eigene Gegenwart. Er schrieb ein dichtgestricktes Ideendrama, das das Ideal eines modernen Gemeinwesens vor Augen führt und es scheitern lässt. „Eigentlich ist dieses dramatische Gedicht zum Lesen und nicht für die Bühne gedacht gewesen. Wir haben uns in einer guten Strichfassung diesem sehr komplexen Werk genähert, das vieles verknappt und dem Zuschauer verständlicher macht und für uns Schauspieler die Konflikte direkter werden lässt“, so der 25-jährige Dennis Herrmann, der seit 2011 Ensemblemitglied des Hans Otto Theaters ist. Markus Dietz sei schon vor Probenbeginn auf ihn zugekommen und habe ihm entscheidende Denkanstöße gegeben, wie er das Stück lesen und seine Figur angehen könne. „Das hat mir sehr geholfen.“ Anders als das gängige Don-Carlos-Klischee sei er nicht der Jammerlappen, die weinerlich-weiche Figur, die nur vom Vater getrieben und entmündigt wird. „Er ist durchaus auch clever und politisch denkend. Carlos ist der einzige in dem Stück, der offen und ohne Hintergedanken handelt.“

Jedenfalls zumeist. In der berühmten Eboli-Szene ist er durchaus auch berechnend. Carlos glaubt eigentlich, auf Elisabeth zu treffen: die Frau, mit der er vor sechs Jahren verlobt war, und die plötzlich von seinem Vater, König Philipp II., aus Machtkalkül geheiratet wurde. Carlos’ Liebe ist damit natürlich nicht erloschen. Er schreibt weiter flammende Briefe, auch wenn Elisabeth nun seine Stiefmutter ist. Und er hofft auf ein Treffen mit ihr. Als er einen Liebesbrief erhält, glaubt er irrtümlich, dass Elisabeth die Verfasserin sei. Doch die Einladung zum Rendezvous stammt von der Eboli. Als Carlos erscheint, gesteht die Hofdame ihm in völliger Verkennung der Lage ihre Liebe. Nicht leicht für den jungen Mann, sich aus der Affäre zu ziehen, ohne der ungeliebten Dame zu sehr vor dem Kopf zu stoßen. Als die Eboli ihm offenbart, dass sie von seinem Vater erpresst wird und Philipp sie zur Mätresse will, nimmt Carlos das kompromittierende Schreiben Philipp II. an sich. Er hofft, daraus bei Elisabeth Kapital zu schlagen und bringt damit zugleich die Eboli in größte Bedrängnis.

„Am Ende ist auch dieser integre, in seiner Ehrlichkeit naive junge Mann umgekrempelt worden“, sagt Dennis Herrmann. „Oder erwachsen?“ fragt Meike Finck. Denn was man mit 20 Jahren noch verabscheuungswürdig findet, darin richtet man sich vielleicht ein paar Jahre später ein, wenn auch auf tragische Weise?“ Dennis Herrmann überlegt. „Nein, es ist schon ein Kaputtgemachtwerden“, glaubt er.

Für die 36-jährige Meike Fink, die seit 2009 in Potsdam auf der Bühne steht, ist gerade diese Vielschichtigkeit der Eboli von großem Reiz. Und das Tempo, in dem sie die Schichten freilegt. „Dieses Hochemotionale habe ich hier in Potsdam so noch nicht gespielt.“ Und sie hat durchaus schon so einige dramatische Gefühlsausbrüche bewältigt, wie in „Fräulein Julie“ oder „Wildente. „Hier aber paart sich das Frausein mit großer Abhängigkeit.“

Meike Finck kennt bereits zwei „Don Carlos“-Inszenierungen und hat mit der Eboli 1997 an der Hochschule in Stuttgart erfolgreich vorgesprochen. Doch wie Markus Dietz die Motive dieser Figur herausarbeitet, war ihr bislang nicht so offenbar. „Es ist nicht immer so, dass Männerregisseure diesen besonderen Blick auf Frauen haben. Er schaut hinter die Fassade der sinnlichen, vermeintlich so kraftvollen Frau. Die Eboli, sonst Sinnbild der Intrigantin, kann auf einmal zeigen, in welchen massiven Zwängen sie steckt“: in dieser Zwickmühle, sich dem König zu ergeben oder einen Beamten heiraten zu müssen, der ihr zuwider ist.

Ohne vordergründig zu werden, zielt Markus Dietz in diesem hochpolitischen Stück natürlich immer in die Gegenwart. „Es geht um die Frage, wie Macht funktioniert, und wo diese Macht wirklich sitzt“, sagt Dennis Herrmann. Meike Finck dachte während der Proben an den zurückgetretenen Bundespräsidenten und welche egoistischen, persönlich emotionalen Dinge Macht beeinflussen können.

In dem Stück gibt es nur wenige Momente des Alleinseins, einen wirklich privaten Raum, wo man nicht bespitzelt wird. „Natürlich denkt man bei dieser Überwachung sofort an Facebook. Aber es wird keinen Computer auf der Bühne geben.“ Die assoziativen Bilder sollen im Kopf der Zuschauer entstehen, so Dennis Herrmann.

Bei dem Verführungsversuch der Eboli, den er als Carlos vehement zurückweist, geht es indes direkt zur Sache.

Premiere am morgigen Donnerstag, 5. April, 19.30 Uhr, Neues Theater, Schiffbauergasse

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })