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Kultur: Zwischen Weltklasse und Yoga

Das Palais Lichtenau feiert seinen neuen Steinway mit zwei Konzerten – und der Grande Dame der russischen Klavierschule

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Wenn die beiden Musen Polyhymnia und Euterpe erzählen könnten, was sich so alles im Festsaal des Potsdamer Palais Lichtenau zugetragen hat, ergäbe das sicher einige spannende Geschichten. Schließlich stehen sie dort schon seit über zweihundert Jahren in ihren Wandnischen. Am 25. September 1797 wurde die neue Villa des königlichen Kämmerers Johann F. Ritz mit einem Fest am Geburtstag von Friedrich Wilhelm II eingeweiht. Doch der König konnte, obwohl gerade erst 53 Jahre alt, nicht persönlich erscheinen: Er lag sterbenskrank im nahen Marmorpalais im Neuen Garten. So mussten sich die Gäste mit dem Anblick einer Büste von ihm begnügen, die der Bildhauer Gottfried Schadow in kürzester Zeit geschaffen hatte.

Ob die langjährige Geliebte von Friedrich Wilhelm II, Gräfin Lichtenau, auch dabei war, ist nicht bekannt. Auf Friedrichs Wunsch hin hatte sie den Kämmerer geheiratet, bewohnt hat sie das von den besten Architekten, Bildhauern und Malern der Zeit gestaltete frühklassizistische Gebäude jedenfalls nicht, auch wenn es bis heute ihren Namen trägt.

In der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg zeigte die sowjetische Armee im Festsaal Filme, seit wenigen Jahren dient der prächtige Bau zwischen Kurfürsten- und Behlertstraße als Hautklinik. Schon beim Kauf war klar, dass der original erhaltene Festsaal nicht als Operationssaal geeignet wäre, sagt Hausherr Axel Fischer scherzend im Gespräch mit den PNN. Jetzt finden dort medizinische Seminare und Kongresse statt, manchmal Yoga-Klassen für Mitarbeiter. Und: Bei zahlreichen Konzerten wird das Haus für die Allgemeinheit geöffnet. Bislang stand nur ein etwas klappriger, geliehener Flügel zur Verfügung, jetzt „möchte man den Künstlern ein ordentliches Instrument bieten“, so Fischer.

Also wurde ein veritabler Steinway-Flügel angeschafft, im Großformat, genauso wie er in internationalen Konzertsälen steht. Die Frage, ob das nicht ein wenig überdimensioniert sei, soll jeder Hörer selbst entscheiden. Dabei spielen mehrere Faktoren eine Rolle: der spezifische Klang des Instruments, die Spielweise des Pianisten, die Auslastung des Raumes – und die Prädisposition der Zuhörer. Eine erste, durchaus überzeugende Klangprobe gab Alexander Untschi, der die Konzerte hier veranstaltet, mit Stücken von Frédéric Chopin und Josef Strauss.

An diesem Sonntag soll der noble Klangkörper von Elisabeth Leonskaja festlich eingeweiht werden. Dass die berühmte Pianistin, die mit Svjatoslav Richter und vielen anderen Koryphäen des 20. Jahrhunderts aufgetreten ist, im Palais Lichtenau spielt, ist dem rührigen Untschi zu verdanken. Leonskaja war es, die dem Wahlpotsdamer vor 25 Jahren den Anstoß gab, selbst Pianist zu werden. Vor wenigen Tagen hat Untschi sie, die letzte Grande Dame der russischen Klavierschule, in Wien erlebt. „Es war ein denkwürdiger Abend“, sagt er, „die Leute haben hinterher geweint, weil es so bewegend war.“ Im Palais Lichtenau spielt Leonskaja ein Programm mit Werken des von ihr besonders geschätzten Komponisten Franz Schubert, darunter die große A-Dur-Sonate.

Am Sonntag darauf gibt es gleich noch ein Konzert – dann mit dem jungen Pianisten Asen Tanchev. Er ist zwar noch kein Weltstar wie die Leonskaja, aber sein Spiel hat Weltklasseniveau. Neben vielen anderen Auszeichnungen gewann der 23 Jahre alte Bulgare bei der Edwin-Fischer-Meisterklasse im Schloss Glienicke vor zwei Jahren den Publikumspreis. Im Palais Lichtenau spielt er Werke von Chopin, Schumann, Scarlatti, Ravel und Prokofiev. „Mich erinnert er an den jungen Maurizio Pollini“, sagt Untschi. Von diesen beiden Konzerten würden die Musen im Festsaal des Palais Lichtenau sicher noch lange erzählen – wenn sie könnten.Babette Kaiserkern

Konzert mit Elisabeth Leonskaja am 17. April, Konzert mit Asen Tanchev am 24. April, beide um 19.30 Uhr im Palais Lichtenau, Behlertstraße 31. Eintrittskarten nur über untschi@gmail.com.

Babette Kaiserkern

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